Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
Antwort. Die Stimme sprach Norwegisch mit einem eindeutig deutschen Akzent. »Im Wohnraum soll eine Versammlung stattfinden. Ich soll dich holen.«
»Habe ich noch fünf Minuten?«, fragte Keelin, deren Hand bereits auf dem Hahn für das Warmwasser lag.
»Hmm. Schätze schon.«
»Ich komme gleich.«
Sie drehte das warme Wasser auf und begann, sich noch einmal sehr intensiv abzuduschen. Erst als das Badezimmer voller Dampf war und das Kondenswasser vom Spiegel lief, trocknete sie sich ab und zog sich wieder an. Natürlich hatten die Fallschirmjäger für sie keine passenden Klamotten dagehabt, aber das war ihr ziemlich egal. Kleider hatten schon längst aufgehört, Auswirkung auf ihre Stimmung zu haben.
Schließlich verließ sie das Bad, die Tasche mit dem Buch über ihrer Schulter, und ging durch den Gang. Sie versuchte, das gerahmte Adolf-Hitler-Bild im Treppenhaus zu ignorieren ebenso wie die Reichsadler auf den Hakenkreuzen. Wolfgang hatte ihr erklärt, dass es nur Tarnung war für seine Fallschirmjäger, die mit zwanzig Mann in einem Zweifamilienhaus in einem Viertausendseelennest wie Sunndalsøra auffielen wie der berühmte bunte Hund. Dennoch fühlte sie sich irgendwie … schmutzig, in diesem Haus untergekommen zu sein, ohne zu protestieren. Sie erschauerte.
Das »Wohnzimmer« war sogar noch schlimmer. Von den Wänden hingen Reichskriegsflaggen – schwarz-weiße Balkenkreuze auf rotem Grund mit Hakenkreuzen in der Mitte. Der langgestreckte Raum hatte am Ende auf einem etwas erhöhten Podest einen breiten Tisch mit einem Reichsadler und zwei weiteren solchen Flaggen. Die versammelten Männer – fünf an der Zahl – saßen jedoch nicht in Reih und Glied, sondern um einen runden Tisch herum, der irgendwie nicht in den Raum zu passen schien. Vielleicht war es auch tatsächlich so, dass sich nicht einmal die Fallschirmjäger wirklich wohlfühlten in ihrem Haus.
Alistair und Wolfgang saßen so, dass sie ihr entgegensahen. Seitlich hatten die beiden Fallschirmjäger Platz genommen, Tönnes und Bauer, wenn sie die Namen richtig verstanden hatte. Eine weitere Gestalt wandte ihr einen eindrucksvollen Rücken zu. Bei ihr musste es sich um jenen geheimnisvollen Kontakt handeln, der von Alistair angekündigt worden war. Sie war äußerst gespannt darauf, um wen es sich dabei handelte.
Bauer stand auf, als sie ins Zimmer trat. »Darf ich vorstellen«, erklärte er in schwer akzentuiertem Englisch. »Svenja, dies ist Uirolec aus Schottland. Uirolec, Svenja.«
Keelin blieb abrupt stehen, als der fremde Mann aufstand. Das hieß, eigentlich wirkte es mehr, als entfaltete er sich. Es war ein wahrer Riese, über zwei Meter groß und mit ausladenden Schultern, doch sein restlicher Körper war dürr wie ein Besenstiel. Sein kurzgeschorenes graues Haar stand ungeordnet von seinem Kopf ab, seine Kleider waren nicht minder schlampig und nachlässig.
Uirolec, in der Tat
. Sie erkannte ihn sofort wieder.
Ihr Mund war plötzlich trocken. Uirolec war einer der drei Pikten-Druiden, die sie in Callanish auf der Insel Lewis kennengelernt hatte. Sie hatte ihnen im Auftrag Derriens das Buch gezeigt, um von ihnen eine Übersetzung zu erhalten. Als sie sich geweigert hatte, es ihnen dazulassen, während sie ins Glen Affric zur großen Keltenversammlung gereist war, um Derrien die ersten Ergebnisse vorzustellen, hatten sie versucht, es ihr abzunehmen, gewaltsam und brutal. Sie hatte die Bilder jener Nacht noch immer nicht vergessen, als Brynndrech wie ein Berserker unter einem Haufen der Pikten-Anhänger gewütet hatte, im strömenden Regen mitten in der Nacht, während sie versucht hatte, an dieses verdammte Auto ranzukommen. Menschen waren in jener Nacht gestorben. Keelin war sich ziemlich sicher, dass ihr das gleiche Schicksal geblüht hätte, wenn es den Pikten gelungen wäre, sie zu überwältigen.
Der Mann drehte sich um. Er hatte einen wild wuchernden Vollbart, buschige Augenbrauen und eine grobporige, rote Nase. Sein auffallendstes Merkmal war jedoch die blaue Tätowierung auf seiner linken Gesichtsseite, die als Streifen seinen Hals hinauflief, von einem Mund unterbrochen wurde und im Winkel zwischen Nase und Auge in einer Spirale auslief.
»Was tut Ihr hier?«, fragte sie eisig. Sie bewegte sich keinen Millimeter weiter. Im Gegenteil, sie war kurz davor, herumzuwirbeln und davonzulaufen.
»Ich wurde eingeladen, Keelin«, erklärte er in seiner tiefen Bassstimme,sich dabei nicht um den Codenamen scherend, den Wolfgang ihr
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