Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
lassen.
»Das ist
deine
Meinung«, erklärte Spider.
Mickey blieb stehen und fixierte seine roten Albinoaugen. »Was willst du damit sagen?«, zischte er durch zusammengebissene Kiefer und wunderte sich, ob dies der Zeitpunkt war, an dem Spider die Dominanzfrage stellen würde. Käme nun die Frage nach der Anführerschaft im Rudel? Sein Herz schlug schneller, als Adrenalin seine Adern flutete.
Das kann er haben
, dachte er kampfeslustig. Mickey gehörte noch lange nicht zum alten Eisen!
Spider hielt seinem Blick mühelos stand. »Ich will damit sagen, dass hier nicht alle deine Meinung teilen«, knurrte er.
Mickey spürte, wie sich sein Körper auf die Verwandlung einstellte. Die Fingernägel waren bereit, zu langen Krallen auszufahren, die Haare richteten sich auf und würden binnen eines Augenblicks zu einem dichten Rattenfell werden, sobald er es ihnen erlaubte. Seine Muskeln zogen sich zitternd zusammen, seine Haut spannte sich beinahe schmerzhaft über seinen bereits leicht wachsenden Proportionen. »Aber solange ich euer Anführer bin«, zischte er mit bereits leicht verwaschener Stimme, »ist es
meine
Meinung, die zählt!«
Spider brach unerwartet den Blickkontakt. »Du hast Recht, Boss«, murmelte er und ging an ihm vorbei. »Du bist der Anführer.«
Mickey starrte weiter auf den Punkt, an dem gerade eben noch Spiders rote Augen gewesen waren, überrascht vom plötzlichen Einlenken des Albinos. Mühsam kämpfte er die bevorstehende Verwandlung zurück und zwang seinen Körper dazu, sich wieder zu entspannen. »Ha!«, murmelte er leise, während er ein paar Mal tief durchatmete. Dann wandte er sich um und folgte seinem Rudel.
Sie trennten sich am Eingang zu den Rattentunneln. Spider und Armstrong machten sich auf den Weg in die Unterwelt, Armstrong vermutlich auf der Suche nach einer Prügelei, Spider wohl eher in der Hoffnung auf einen Tanz mit irgendeiner der leicht zu habenden Drogenprostituierten, die in der Unterwelt zuhauf zu finden waren. Colt ging nach Hause zu seiner Wohnung in Laksevåg, einem heruntergekommenen Stadtteil westlich des Zentrums. Mickey selbst stieg die Rattentunnel hinab.
Die Linie 3 wäre die tiefste der drei geplanten Bergener U-Bahn-Linien gewesen und hätte das Stadtzentrum über Årstad und vorbei am Nordåsvannet mit dem Flughafen verbunden. Baubeginn des gesamten U-Bahn-Netzes war 1978 gewesen, als die Bevölkerung Bergens die Millionengrenze überschritt, doch die Arbeiten wurden vier Jahre später eingestellt, als der Stadt das Geld ausging. Nach mehrjährigem Baustopp wurde das Projekt schließlich aufgegeben, die Tunnel wurden stillgelegt.
Die Dreierlinie wurde als Erstes aufgegeben, weshalb sich die Stadt noch besondere Mühe damit gegeben hatte, die Zugänge zu den Schächten zu versiegeln. Doch natürlich hatten die Rattenmenschen einen Weg hinein gefunden. Hier fühlten sie sich sicher, so sicher, dass sie hier ihre Clansversammlungen abhielten, in den Hallen der geplanten Haltestelle Årstad, und auch der Unterschlupf der Queen weiter südlich im Stadtteil Paradis gehörte zur Dreierlinie. Die Schächte waren zu groß, als dass sie im Bergener Regenwetter allzu viel Wasser aufnahmen, so dass man dort selbst im schlimmsten Wetter einigermaßen trocken blieb.
Für die anderen Teile der Rattentunnel traf dies jedoch nur sehr eingeschränkt zu, weshalb Mickey mehrere Umwege in Kauf nehmen musste, um schließlich in der Residenz der Queen anzukommen. Zwei Rattenmenschen der Queensguard warteten vor dem Eingang zu ihrem Thronraum. Wie üblich hatten sie die Kampfgestalt angenommen, in der sie aussahen wie eine unter Steroiden stehende Kreuzung aus Mensch und Ratte, mit spitzen Fangzähnen, langen Klauen, einem gedrungenen Körperbau sowie einem langen nackten Schwanz. Beide trugen grobe braune Kutten.
Mickey, der in seiner Tierform durch die Rattentunnel gehuscht war, wechselte zurück in seine Menschgestalt. Die Queensguard hatte ihn längst bemerkt, aber sie ignorierte ihn so lange, bis er sich einarmig und mühsam in eine der bereitliegenden Kutten gekämpft hatte. Erst als er nicht mehr nackt vor ihnen stand, ergriff einer das Wort: »Willkommen, Mickey. Komm, die Queen erwartet dich bereits!«
Mickey war nicht erstaunt. Er wusste nicht genau, wie die Magie der Queen funktionierte, aber er hatte es noch nie erlebt, dass sein Erscheinen sie überrascht hätte. Was ihn jedoch überraschte, war, dass sich die Tür zum Thronraum vor ihm öffnete und die Queen
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