Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
retten. Den Raben jetzt anzugreifen bringt uns keinen Millimeter weiter, sondern wirft uns um Meilen zurück. Seine Diener würden mich auf der Stelle töten, und dann stünde die Familie ohne Prinzessin da. Ganz abgesehen davon, was passieren würde, wenn die Rabenfamilie herausfindet, dass wir hinter einem solchen Angriff stecken. Das gäbe Krieg. Simons«, und damit meinte sie Lord Rushai, »Krieger werden über uns herfallen wie die Heuschrecken über Ägypten. Verstehst du?«
»Ja.«
»Wir brauchen eine neue Prinzessin, Mickey. Es kann so nicht weitergehen mit der Familie. Ich sehe einen gähnenden Abgrund vor uns, der uns alle verschlingen könnte, wenn wir nicht aufpassen. Und selbst wenn der Rabe mich nicht töten sollte, könnte es sein, dass der Tod mich findet.«
»Sie sind zu jung zum Sterben!«, protestierte Mickey.
Ärger blitzte in den Augen der Queen auf, als sie ihn anfuhr:»Niemand ist zu jung zum Sterben! Also sucht nach einer neuen Prinzessin. Wir brauchen sie dringender als je zuvor!«
Mickey nickte schwach.
Es waren zu viele Informationen, die sie da auf ihn abgeladen hatte, zu viel, was er überdenken musste. Er hatte bereits von den Geistern gewusst, die sie in Ashkarunas Auftrag bewachten. Aber dass sie stark genug waren, sie zu töten, war ihm neu. Einmal mehr schwor er sich herauszufinden, wie sie diese Geister loswerden konnten, denn eine neue Queen ließ sich nicht so einfach aus dem Ärmel schütteln. Zehntausende Mädchen mussten dafür überprüft werden, was selbst in Friedenszeiten kein einfaches Unterfangen war – nun, da sie im Krieg standen und sich die Stärke des Clans bereits nahezu halbiert hatte, war es praktisch unmöglich. Und irgendwie glaubte er nicht daran, dass sie ihr
Glück
in der nächsten Zeit über eine neue Queen stolpern ließ.
Und was meinte sie damit, dass sie auch so sterben konnte? War sie etwa krank? Sie hatte bei ihrem letzten oder vorletzten Gespräch bereits etwas in diese Richtung erwähnt …
Ein Schauer lief über seinen Rücken. Er wollte keine neue Queen. Die alte war ihm gerade recht. Er liebte sie. Es musste einen anderen Weg geben.
WOLFGANG (2)
Bezirk Harburg in Hamburg, Deutschland
Dienstag, 02. November 1999
Die Außenwelt
Das Geschrei war fürchterlich. Mindestens dreißig Männer hatten sich um das hölzerne Rondell versammelt und schrien und tobten, die Fäuste mit den Wettscheinen in der Luft. Aus dem hinteren Bereich der baufälligen Lagerhalle drang wütendes Hundegebell. Die Männer, hauptsächlich Hafenarbeiter in schmutzigen grauen oder blauen Overalls, die nach einer zwölfstündigen Schicht nach Zerstreuung suchten, stanken nach Schweiß und Öl, was sich mit dem intensiven Geruch von Blut und Mäuseurin zu einem herben Aroma mischte. Die Beleuchtung bestand neben einigen herabhängenden Neonröhrenleisten aus zwei lichtstarken Scheinwerfern, die direkt auf das Rondell gerichtet waren.
Wolfgang stand in der zweiten Reihe, so dass seine Sicht immer wieder von seinen Vorderleuten oder ihren nach oben gerissenen Armen versperrt wurde. Dennoch sah er mehr als genug.
Das Rondell war eine Art Arena, ein Oval von etwa vier Metern Länge und zwei Metern Breite. Die Wände bestanden aus hüfthohen, aufrecht stehenden Holzlatten, ebenso weiß gestrichen wie der Fußboden und gerade groß genug, dass die gut zweihundert Mäuse darin nicht nach draußen springen konnten. Sie wuselten panisch durcheinander, auf der Suche nach dem nicht vorhandenen Ausgang.
Gegenüber bildete sich nun eine Gasse, durch die ein sonnengebräunter Mann mit schwarzer Baseballmütze auf das Rondell zuschritt. Er trug einen Hundekäfig in den Händen, in dem ein schmutzigweißer, hässlicher Bullterrier gefangen war. Das Tierkläffte wild und starrte mit aggressivem Blick in die Arena. Genau wie die Zuschauer wusste der Hund bereits, was auf ihn zukam. Das Geschrei wurde lauter, als der Mann mit der Baseballmütze den Käfig oben auf die Holzlatten des Rondells stellte und eine Hand an die vorne angebrachte Klappe legte. Unterdessen war auch der Ansager an das Rondell getreten, ein Mann in mittleren Jahren mit Schnurrbart und Filzhut.
»Und nun, meine Herren«, verkündigte er, »der zweite Hund des Abends: Göbbels. Zweihundert Mäuse in der Arena, fünf Minuten, einhundert Mäuse sind zu schlagen für die Wette A! Oder schafft es Göbbels sogar für die Wette B, die von Rambo vorgelegten hundertsiebenundzwanzig zu schlagen? Bleiben Sie
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