Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
erst einmal in der Harburg abgewartet hatten. Er zuckte mit den Schultern. Er würde es herausfinden.
»Wer da?«, rief die Stimme eines Wächters vom Wehrgang der Palisade am Ende des Damms, als Wolfgang am ersten Wachfeuer vorüberging.
»Wolfgang!«
Als Antwort hörte er, wie der schwere Riegel hinter dem Tor gelupft wurde. Das Tor schwang auf. »Fürst Herwarth erwartet Euch bereits«, meinte der Mann, der dahinter zum Vorschein kam, ein Krieger mit lederner Rüstung und einem schweren Umhang, mit dem er sich erfolglos vor dem Regen hatte schützenwollen. »Er war bereits zweimal hier und hat nachgefragt, ob Ihr schon zurück seid.«
Verdammt. Wolfgang verzog das Gesicht. Er hatte schon überlegt, sich heimlich in sein Lager zu schleichen, doch das schied damit wohl aus. Er trat durch das Tor und nickte dem zweiten Wächter zu, der mit dem Bogen in der Hand auf dem Gerüst stand, das hinter der Palisade als Kampfplattform und Wachtposten diente. »Aber mal ehrlich«, fragte Wolfgang beiläufig, »müsstet ihr nicht eigentlich etwas vorsichtiger sein mit Fremden?«
»Ihr seid doch nicht fremd, Herr«, meinte der Bogenschütze. Es war Torger, wie Wolfgang jetzt an der Stimme erkannte.
»Nun, ich könnte ein Gesichtstauscher sein.«
»Habe noch nie etwas von Gesichtstauschern gehört.« Torger zog die Augenbrauen zusammen. »Abgesehen davon, was sollen wir Eurer Meinung nach tun? Æthelbert wecken?«
»Uhhh.« Wolfgang verzog das Gesicht. Der Kommandant der Harburg war nicht gerade für sein sonniges Gemüt bekannt. »Das vielleicht nicht. Aber wie wärs mit der Losung?«
»Kennt Ihr sie denn?«, fragte der Krieger mit dem schweren Umhang.
»Klar kenne ich sie. ›Siebenundzwanzig Schattenkinder‹.«
»Also gut, Ihr könnt passieren.«
Netter Versuch
, dachte Wolfgang,
so zu tun, als ob das Thema damit vom Tisch wäre.
Eigentlich müsste er ihnen für ihren Leichtsinn das Fell über die Ohren ziehen. Aber es war eine wirklich widerliche Nacht, und abgesehen davon hatte Wolfgang keine Lust, sich auch noch mit den Wächtern zu streiten. »Danke«, murmelte er stattdessen. Dann machte er sich schweren Schrittes auf, sich bei Herwarth zurückzumelden.
Der Fürst war der Einzige, der in der Harburg ein eigenes Zimmer besaß, einen kleinen Raum im zweiten Stock des Turms. Unter dem Türspalt drang flackerndes Licht hervor. Wolfgang hob schon den Arm, um an die Tür zu klopfen, als er dahinter Stimmen vernahm. Als er seinen Namen hörte, ließ er die Hand wieder sinken, um zu lauschen.
»Könnt Ihr nicht den Jarl Wolfgang schicken?«, meinte eine Stimme gerade. Wolfgang musste nicht lange überlegen, sie gehörte Rudeger, einem der Schiffskapitäne aus Lhiuniburc. Er war einer der beiden Salzhändler, offenbar waren es andere Boote, die am Damm draußen fehlten.
»Ich könnte schon.« Herwarth klang nachdenklich, doch zum Glück besaß der Fürst eine gute Kommandostimme und dachte lauter nach, als andere schrien. »Wahrscheinlich werde ich es auch. Aber noch nicht jetzt. Die Situation in der Stadt ist zu unklar.«
»Was sollen wir dann tun? Umkehren? Die Friesen warten auf dieses Salz.«
»Ihr könntet bei Nacht segeln«, sinnierte Herwarth. »Das verdammte Biest wird nachts nicht jagen.«
Aha, dachte Wolfgang. Und seit wann wissen wir das?
Eine zweite Stimme warf leise ein: »Ohne einen Lotsen?« Wolfgang musste genau hinhören, um zu verstehen, was der Mann sagte. Es musste Walther sein, der Kapitän des zweiten Bootes.
»Na sicher ohne Lotsen! Wir sind gestern Nacht in die Norderelbe und zurück und hatten auch niemanden dabei, der sich dort auskennt«, meinte Herwarth. Er klang schon etwas ärgerlich.
»Ihr hattet Wolfgang dabei, Herr. Ich habe gehört, dass er nachts besser sehen kann als ein gewöhnlicher Mann am Tag.«
»Ach ja, ist ja gut, verdammte Scheiße.« Langsam kam Herwarth in Fahrt. Wolfgang musste grinsen. Natürlich wollte der Fürst, dass sein wertvolles Salz an seinen Zielort kam, damit die Boote mit neuer Ware zurückkommen konnten – höchstwahrscheinlich Fisch, Lhiuiniburcs Felder hatten im Sommer schlecht getragen, und außerdem hatte seitdem ein steter Strom von kriegsgefangenen Trollen die Bevölkerung der Stadt zusätzlich anschwellen lassen. Doch die beiden Boote an den Dämon verlieren wollte der Fürst natürlich auch nicht. Er steckte in einer Zwickmühle.
Wolfgang stieß einen langen Seufzer aus. Er wusste ganz genau,wo diese Zwickmühle enden würde. Er hob erneut
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