Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
ihr einen überraschten Blick zu. »Warum sollten wir euch Kelten dafür brauchen?«, murrte Æthelbert.
»Wir Kelten«, setzte Keelin an, »haben seit Hunderten von Jahren einen Dämon im Loch Ness und wissen immer noch nicht, was wir gegen ihn tun können. Nun beschwören die Schatten weitere. Einen gibt es bereits in Bergen, und offenbar ist nun ein weiterer in Hamburg. Glaubt Ihr, dass Ihr binnen weniger Jahre oder gar Monate oder Wochen Wege zu ihrer Bekämpfung herausfinden werdet, die wir in Jahrhunderten nicht gefunden haben?«
Wenn ja, ist eure Arroganz tatsächlich unübertroffen
, wollte sie in ihrer wachsenden Druidenwut noch hinzufügen, doch es gelang ihr, sich zurückzuhalten. Wenn sie die Germanen so provozierte, bräuchte sie sich jedenfalls nicht darüber zu beschweren, wenn man noch heute ihren Leichnam im Elbwatt versenken würde. »Und selbst wenn, bleiben immer noch die Schatten. Sie werden stärker und stärker, jeder Sieg gegen sie kommt uns teurer zu stehen als der davor. Ich war dabei, als die Trondheimer Ratsarmee bei Espeland gegen die Schattenarmee aus Bergen gekämpft hat. Ich weiß, dass der Rat von Trondheim eine solche Armee nicht noch einmal hätte aufstellen können, während sich die Schatten offenbar schon jetzt von ihren Verlusten erholt habenwerden.« Sie seufzte. »Ich befürchte, dass unsere Völker selbst im Frieden nicht gegen die Schatten bestehen können. Im Krieg dagegen …« Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Chance. Nicht, solange wir nicht mehr über die Schatten wissen. Nicht, solange wir nicht wissen, woher sie kommen und wie sie sich vermehren.«
»Solange wir das nicht wissen«, murmelte Herwarth, »können wir sie dabei nicht aufhalten. Was weiß Euer Volk darüber, Druidin? Wisst Ihr denn
irgendetwas
?«
»Derrien Schattenfeind hat von einem ihrer Schattenlords ein Buch erobert, von dem vermutet wird, dass es die Geheimnisse der Schatten beinhaltet. Er hat es mir anvertraut, es zu den Pikten zu bringen, einem Stamm, der viele der alten Geheimnisse und Mysterien bewahrt.« Sie sah zu Boden. »Ich habe es verloren. Ein Mann hat es mir gestohlen, möglicherweise einer der Pikten. Ich habe seitdem nichts mehr davon gehört.«
Herwarth verzog enttäuscht das Gesicht, doch da meldete sich Wolfgang zu Wort: »Wenn Derrien Euch einen solchen Schatz anvertraut hat, muss er Euch vertraut haben … Dann hat er Euch vielleicht auch seine Pläne bezüglich des
storthings
verraten.«
»Das hat er nicht«, murmelte Keelin. »Er hat mir nie irgendetwas über seine Pläne gesagt. Er brauchte einen Kurier nach Schottland, das war alles, und er wollte dafür keinen seiner eigenen Leute von ihren Missionen abziehen. Ich war für ihn nicht mehr als ein Laufbursche.«
»Und wir sollen Euch das glauben?«, ätzte Æthelbert.
Dafür habt ihr doch euren Seher!
, dachte Keelin, doch langsam beschlich sie ein unangenehmer Verdacht: Gustaf war vielleicht gar kein Seher. Möglicherweise hatten sie die Germanen angelogen, um sie so zu einem Geständnis zu verleiten. Sie vermutete viel eher, dass er ein Historiker war, so wie der alte Neill im Glen Affric, Bewahrer der alten Traditionen und Bräuche, der Sagen und Gesetze. Ansonsten hätte er den anderen wohl längst bestätigt, dass sie die Wahrheit sagte. Ein kalter Schauer lief über ihren Rücken und ließ sie frösteln. Ohne Seher lag es in der Hand jedesEinzelnen, was sie ihr glauben wollten und was nicht. Æthelbert war ganz sicher nicht gewillt, ihr irgendetwas zu glauben, Gustaf schien unentschlossen. Immerhin schien Wolfgang bei weitem nicht so überzeugt von ihrer Schuld, wie sie erwartet hatte. Nur Herwarth schien auf ihrer Seite zu sein. Zumindest versuchte er, den Ahnenhass aus der Verhandlung herauszuhalten. Sie schluckte, als sie realisierte, dass das nicht gleichbedeutend war mit auf ihrer Seite. »Ihr müsst!«, beschwor sie das Tribunal. »Ich hatte nichts mit dem Attentat zu tun, ich schwöre!«
»Bei was wollt Ihr schwören?«, erkundigte sich Æthelbert. »Bei Euren Göttern vielleicht? Ihr wisst doch sehr wohl, dass wir andere Götter verehren!«
»Das bedeutet aber nicht«, mischte sich einer der Kapitäne ein, ein hünenhafter Mann mit wildem rotem Bart und geflochtenen Zöpfen, »dass ihr Schwur weniger gilt. Sie wird einen Götterschwur genauso wenig brechen wollen wie wir, auch wenn es andere Götter sind.« Wolfgang zog die Augenbrauen überrascht nach oben und nickte leicht, doch Æthelberts Reaktion
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