Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
schweigend und gelangweilt auf ihren Kontakt.
Es vergingen drei Stunden, bis endlich ein kleines Boot von Norden kommend in den Fjord schwenkte und auf Åndalsnes zulief. Es war nicht mehr als ein offenes Motorboot, ohne Kabine und zweites Deck, von einem Typ, den manche größere Jachten als Beiboot verwendeten. Die beiden Männer darin hatten Glück, dass das Wetter hielt. Bei Regen wären sie bis auf die Knochen durchnässt worden. Der Motor schnurrte leise, während der Kahn im Leerlauf an den Steg zulief. Colt fing das zugeworfene Seil auf und wickelte es um einen der Poller.
Einer der Männer, der Passagier, sprang von Bord. Es war ein dürrer, großgewachsener Kerl Mitte dreißig, mit einem falkenhaften Gesicht und einer weißen Baseballkappe auf dem Kopf.
Schatten
, dachte Mickey schon beim ersten Anblick. Er war sich so sicher, dass er sich nicht einmal die Mühe machte, es mit Hilfe seiner Magiewahrnehmung zu überprüfen. Der zweite, der hinter dem Windschild aus Plexiglas am Steuer saß, schaltete den Motor aus und zog die Schlüssel ab, ehe er ebenfalls aufstand. Er war nur geringfügig kleiner, aber mindestens ebenso dürr, mit roter Regenjacke und schwarzer Wollmütze. Aus schmalen Augen studierte er aufmerksam die Umgebung, ehe auch er von Bord sprang. Ihn kannte Mickey mit Namen, es war Tarakir, einer von Rushais Ranger-Schatten.
»Wie lief die Schlacht?«, begrüßte ihn Mickey.
»Wahrscheinlich gut«, erwiderte Tarakir grimmig. »Aber genau weiß ich es nicht. Ich musste ja weg und Rattenmenschen babysitten, sobald wir den Hafen gesichert hatten.«
Als ob wir dich hier haben wollten!
Es war jedenfalls nicht Mickeys Idee gewesen, hier mit den Schatten zu kooperieren. Rushai hatte ihm den Befehl erteilt, hier mit Tarakir zusammen nach dem Sicheren Haus der Hexer zu suchen. Dabei fiel Mickey ein: »Wir haben mehr von eurer Sorte erwartet.«
»Die anderen sind noch auf der Insel«, erwiderte der Schatten mit dem Baseballcap. »Da gibt es noch einen aktiven Geist, den sie jetzt jagen.«
»Aha«, stellte Mickey fest. »Und du bist …?«
»Akoshay. Ihr Typen habt auch Namen?«
»Aber sicher! Das hier –«
»Muss das jetzt sein?«, unterbrach ihn Tarakir. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!«
»O doch, das haben wir«, erwiderte Mickey streitsüchtig. Er war noch immer wütend darüber, dass Lord Ashkaruna ausgerechnet
sein
Rudel geschickt hatte, um Rushais Auftrag auszuführen. Tarakirs unfreundliche Art kam ihm da gerade recht. »Bei Hausbesuchen sind Menschen besonders unsicher und ängstlich,wenn man sie nach Sonnenuntergang durchführt. Und da ängstliche Menschen leichter zu lesen sind, sollten wir solange warten.«
»Ach, Unsinn!« Der Ranger machte eine wegwerfende Geste. »Los, auf! Lasst uns den Scheiß hinter uns bringen! Habt ihr die Ausrüstung?«
»Natürlich haben wir die Ausrüstung«, erwiderte Mickey angefressen. Er deutete auf zwei große schwarze Reisetaschen, die sie neben dem Geländer abgestellt hatten.
»Dann los.« Tarakir ging zu den Taschen, packte eine und ging davon. Akoshay nahm sich die andere und folgte ihm.
Spider zog eine Augenbraue nach oben.
Mickey schnitt eine Grimasse und murmelte: »Man muss sie einfach mögen …«
Nachdem sie sich in einer Herberge einquartiert und umgezogen hatten, begannen sie ihre Suche nach dem Sicheren Haus. Sie teilten sich in Zweiergruppen auf, die Schatten getrennt von den Rattenmenschen, weil keiner von ihnen Wert darauf legte, gemischte Teams zu bilden. Mickey entschied sich dafür, mit Colt auf die Suche zu gehen. Der Junge hatte etwas Betreuung bitter nötig.
Sie begannen mit dem
Tre Søstre
, einer Kneipe in der Nähe des Hafens, in Polizeiuniformen und mit gefälschten Dienstausweisen. Es war ein heruntergekommener Schuppen, verräuchert und gemütlich. Aus den Boxen einer alten Stereoanlage drang Rockmusik.
Nachdem Mickey sich und Colt als Sebastian und Thor vorgestellt hatte, kam er gleich zur Sache. »Habt ihr diesen Mann schon einmal gesehen?«, fragte er und legte einen Computerausdruck auf den Tresen.
Der Barkeeper des
Tre Søstre
, ein grauhaariger Mann in den Fünfzigern, legte seinen Putzlappen zur Seite und warf einen neugierigen Blick darauf. Auf dem Bild war ein Mann zu sehen, ein kantiger Typ mit Dreitagebart und halblangem Haar. Er trug einen roten Rucksack über der Schulter und hatte den Mundvom Kaugummikauen leicht geöffnet. Mickey wusste das so genau, weil er ihm begegnet war, kurz
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