Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
nachdem die Aufnahme entstanden war. Um genau zu sein, hatte er versucht, den Mann umzuballern. Es war ein germanischer Hexer namens Wolfgang. Der Attentatsversuch war jedoch spektakulär schiefgelaufen. Der Hexer hatte überlebt, Sugar war dabei draufgegangen, und dies nicht zuletzt weil es Ashkaruna einmal mehr nicht nötig gehabt hatte, dem Rudel rechtzeitig eine wichtige Information zukommen zu lassen. Wie nach Hamburg hatte der Schattenlord auch damals die Alleinschuld für das Scheitern der Mission auf Mickey geschoben.
»Noch nie«, erwiderte der Barkeeper schließlich mit einem Kopfschütteln.
»Danke.« Mickey griff nach dem Ausdruck und ging von Tisch zu Tisch, doch keiner der wenigen Gäste wollte sich an diesen Mann erinnern können. Mickey bedankte sich jedes Mal artig und wünschte beim Verlassen der Kneipe noch einen schönen Abend in die Runde.
Draußen waren mit dem Abend neue Wolken aufgezogen, tiefhängend und regenbeladen. Mickey zog sich mit einem unwirschen Fluch die Kapuze der polizeilichen Regenjacke über den Kopf. »Und?«, fragte er Colt, mit dem er den Rundgang durchführte. »Was meinst du?«
»Ähm …«, stockte der junge Rattenmensch. »Was meinst du, Boss?«
Mickey zog eine Zigarettenpackung aus der Hosentasche.
Eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten ist eine Sache
, dachte er, während er sich eine Zigarette anzündete und gierig den Rauch inhalierte.
Aber eine Frage mit der
gleichen
Frage zu beantworten ist neu …
»Was war dein Eindruck da drinnen? Was denkst du über die Leute?«
»Ach so … Na ja, das hängt davon ab … Glaubst du ihnen denn, Boss?«
Es kostete Mickey viel Mühe, nicht stehenzubleiben und Colt an die Stirn zu klopfen, um seine Hirnzellen aufzuwecken.Konnte der Junge tatsächlich so langsam sein? »Genau das will ich von dir wissen«, erklärte er.
»Ich schätze, dass ich ihnen schon glaube.«
Mickey nickte. »Und woran machst du das fest?«
»Keine Ahnung. Ich glaube ihnen einfach.«
Was zum Teufel hat Snowman nur aus diesem Jungen machen wollen?
Ein Rudelanführer war für die Ausbildung seiner Ratten verantwortlich, und Colt hatte früher zu Snowmans Rudel gehört. Doch auch Sugar war Snowmans Zögling gewesen, und Mickey hatte selten einen so jungen und bereits so guten Mann erlebt. Es war eine Schande gewesen, den jungen Rattenmenschen im Trondheimer Flughafen an Wolfgangs Geist zu verlieren. Aber Colt …
»Es gibt Hinweise darauf, dass ein Mensch lügt«, erklärte Mickey und begann bei Adam und Eva. Er erzählte ihm von Stressreaktionen, von geweiteten Pupillen und Gesichtsrötungen, von verschränkten Armen und Widersprüchen zwischen Mimik und Aussage. Er erklärte, dass man auch darauf achten musste, wie lange eine Person das Bild betrachtete und mit welchem Ausdruck.
»Und du hast da drinnen auf das alles aufgepasst?«
Mickey nickte.
»Das ist ja irre!«
»Das ist Wahrnehmungsschulung. Wie viele Gäste waren im Schankraum?«
»Äh … Sieben?«
»Acht. Einer ist aufs Scheißhaus, während ich mit dem Barkeeper gesprochen habe.«
»Und er ist nicht wieder zurückgekommen? Das macht ihn aber doch verdächtig!«
Mickey zog die Augenbrauen nach oben. Immerhin bemerkte der Junge, dass an diesem Verhalten etwas auffällig war, selbst wenn es in diesem Fall eine ganz banale Ursache hatte. »Er hat seinen Wein verschüttet. Schätze, dass er versucht, den Fleck aus seinem Hemd rauszukriegen. Er hat dafür sogar den Salzstreuer vom Tisch mitgehen lassen.«
Darauf war Colt mehrere Minuten lang sprachlos. Auch Mickeyhielt den Mund und grübelte weiter darüber nach, was er wohl mit dem Jungen anstellen sollte. Colt besaß die Kraft des Magiegespürs, eine klassische Seherfähigkeit, doch sein Verstand war für einen Seher viel zu langsam. Colt war aber auch kein Kämpfertyp, und was er schon gar nicht war, war ein Kundschafter. Vielleicht konnte man einen Schamanen aus ihm machen, doch dafür war er im falschen Rudel. Oder er blieb wie Spider und Mickey selbst ohne strengen Pfad. Die Erfahrung zeigte bloß, dass Pfadlosigkeit eher etwas für die schlauen Ratten war und nicht für die dummen …
»Zumindest habe ich die Leute da drinnen gescannt!«, erklärte Colt schließlich. Damit meinte er, dass er mit Hilfe seiner Magiewahrnehmung überprüft hatte, ob einer der Gäste eine magische Aura besaß.
»Immerhin.«
Über die empathische Verbindung, die die Ratten eines Rudels miteinander verband, spürte Mickey deutlich Colts
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