Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
das Geländer des Wehrgangs und sprangen hinab in den Hof, während Karanteq die erbeuteten Schilde herabfallen ließ. Auf der anderen Seite des Hofs drängten sich die Nain um mehrere Leitern, über die sie auf die Wehrgänge kletterten. Derrien duckte sich unter dem langsam nach oben verschwindenden Fallgitter und lupfte gemeinsam mit Murdoch den schweren Balken, mit dem das Tor gesichert war, aus den Halterungen.
»Beeilt euch!«, rief Karanteq von hinten. Derrien blickte hastignach oben, sah, dass es noch einen Moment dauern würde, bis das Gitter hoch genug wäre, um das Tor ganz öffnen zu können. »MACHT SCHON!«, brüllte Karanteq hektischer. Das Tor kam frei, Derrien zog, so schnell er konnte, einen der Flügel auf. Dann schnappte er sich einen der Schilde und zückte
Steinbeißer
. Der kurze Dolch war für den Kampf im Schildwall viel besser geeignet als
Waldsegens
lange Schwertklinge.
Viel länger hätte er nicht brauchen dürfen. Inzwischen hatten die Nain mitbekommen, was die Waldläufer planten. Schneller, als Derrien erhofft hatte, hatten sie ihre Reihen geformt, Schilde und Schwerter bereit zum Kampf. »ZUM ANGRIIIIIFFF!«, brüllte einer ihrer Anführer auf Norwegisch, ein zweiter wiederholte den Befehl auf Englisch. Mit wildem Geschrei stürmten die Nain den Druiden entgegen.
»SCHILDE!!«, schrie Derrien. Mit einem dumpfen Pochen schlug er seinen Schild gegen den Murdochs, der den anderen Torflügel aufgezogen hatte und nun rechts von ihm stand, so dass sich die Ränder überlappten. Die Lücke zwischen Murdoch und dem Rand des Torbogens übernahm Orgetorix. Links von Derrien war Karanteq und rammte seinen Schild gegen Derriens, und dann Ryan, der als Letzter vom Wehrgang gesprungen kam und sich gerade noch rechtzeitig in den Wall einreihte.
»WARTET!«, brüllte Derrien und duckte sich hinter seinen Schild, während der Mob auf sie losstürmte. »WARTET!« Sein Puls war ein rasender Trommelwirbel, sein Atem das harte Pressen eines Blasebalgs. »JEEETZT!«
Damit warf er sich nach vorne. Donnernd krachten die Schilde aufeinander, die Wucht des Aufpralls ließ ihn zurücktaumeln. Eine Klinge schlug gegen den Oberrand des Schilds. Derrien riss ihn hoch, stieß
Steinbeißer
unter seinem Rand hindurch, traf auf weichen Widerstand, riss die Klinge zurück, spürte heißes Blut auf seinen Arm spritzen. Die Hintermänner seines Gegners prallten gegen den Nain, warfen ihn nach vorne, gegen Derriens Schild, und plötzlich konnte er nichts mehr tun, als dagegenzuhalten, während der Nain, hilflos eingeklemmt zwischen denSchilden seiner Hintermänner und Derriens eigenen, schreiend verblutete.
KÄMPFE
, beschwor Derrien seine Kräfte,
wie du noch nie zuvor gekämpft hast!
Der Druck der Fomorer ließ kurz nach. Der verletzte Krieger sank kraftlos davon, wurde jedoch sogleich von einem anderen ersetzt. Und Derrien blieb keine Zeit mehr zum Denken.
BATURIX (2)
Festung Trollstigen, Norwegen
Mittwoch, 03. November 1999
Die Innenwelt
Das Warten dauerte eine Ewigkeit. Baturix’ Nase fühlte sich gefroren an, seine Hände waren taub, seine Füße wie abgestorben. Der Frost fraß sich langsam durch seine Felle und versuchte, alle Wärme aus ihm zu ziehen. Hoch über ihm funkelten kalt und erbarmungslos die Sterne.
Die Kälte hatte Baturix müde gemacht. Immer wieder war er eingenickt und wurde ein paar Augenblicke später von einem seiner Nachbarn wieder geweckt. Es war die tödliche Müdigkeit des Winters, aus der man auf sich allein gestellt nicht mehr erwachte. Auch Baturix musste mehrmals seine Gefährten aufschrecken.
Eine lange Zeit hatten sie nun schon die nachtschwarze Silhouette der Festung Trollstigen angestarrt. Fackeln waren auf ihre Wehrgänge gepflanzt, die Nain hatten völlig gelangweilt ihre Wachgänge erledigt, ohne auch nur zu ahnen, dass am Rande ihrer Pfeilschussweite fünfhundert Waldläufer im Schnee lagen und darauf lauerten, endlich die Burg stürmen zu können.
Doch das Warten war nun vorbei. Derriens Angriff hatte begonnen. Die Wachen waren aus ihrer Lethargie erweckt und hasteten eilig über die Wehrgänge, der Wind trug einzelne Wortfetzen und Schreie über das Schneefeld zu den Kelten. Baturix öffnete und schloss nervös seine rechte Hand und versuchte, etwas Blut hineinzupumpen. Falls es den Druiden gelang, das Tor zu öffnen, würde es
bald
passieren. Eine taube Waffenhand war das Letzte, was Baturix dafür brauchen konnte.
Auf den Wällen zum Torturm, dem
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