Schattenfreundin
Beamten gekommen waren.
»Wenn niemand von Ihnen ein Problem damit hat, würde ich vorschlagen, dass Frau Schneidmann und Herr Käfer einfach ihre Fragen stellen und dass wir dann gemeinsam darüber reden, okay?«, fragte er in die Runde.
Zustimmendes Gemurmel und Kopfnicken waren die Antwort. Während Käfer die Kopien von Tanjas Phantombild verteilte, sagte er: »Wir sind auf der Suche nach dieser Frau. Sie wird im Zusammenhang mit einem Kapitalverbrechen gesucht. Kindesentführung, um genauer zu sein. Das Opfer befindet sich vermutlich immer noch in ihrer Gewalt, deshalb kann jeder auch noch so kleine Hinweis nützlich sein. Es ist sehr wichtig für uns, dass Sie uns alles sagen, was Ihnen zu dieser Frau einfällt, auch vermeintlich nebensächliche Dinge. Alles kann wichtig sein.«
»Wer von Ihnen kennt diese Frau?«, fuhr Charlotte fort. »Erinnert sich vielleicht jemand an ihren Namen, an ihr Auto oder an etwas anderes Markantes?«
Eine jüngere Frau hob zögernd die Hand. »Was verstehen Sie unter markant? «, fragte sie.
»Zum Beispiel eine auffällige Tätowierung oder ein Piercing. Die Frau trug häufig Ohrringe, wie die auf dem Phantombild«, erklärte Charlotte. »Alles, was mit dieser Person zu tun hat, könnte wichtig für uns sein.«
»Schauen Sie sich das Bild in aller Ruhe an«, sagte Käfer, nachdem jeder in der Gruppe eine Kopie in der Hand hielt.
Leises Gemurmel ging durch den Raum, während alle das Bild betrachteten. Charlotte und Peter Käfer beobachteten die Teilnehmer und versuchten, anhand ihrer Reaktionen erste Rückschlüsse zu ziehen. Immerhin war es möglich, dass jemand von ihnen Tanja erkannte, es aber nicht zugeben wollte.
»Nie gesehen«, sagte einer der Männer.
»Doch«, widersprach die gepflegte Mittvierzigerin. »Die war mal da. Ich kann mich an sie erinnern.«
»Hat sie Ihnen einen Namen genannt?«, fragte Käfer.
Die Frau schüttelte den Kopf. »Nein. Es liegt auch schon ewig zurück, dass die hier war.«
»Was ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben?«, fragte Charlotte.
»Eigentlich nichts«, sagte die Frau. »Die Ohrringe sind mir aufgefallen. Ansonsten war sie zurückhaltend und nett.«
»Hat sie erzählt, wer in ihrer Familie erkrankt ist? Eltern, Kinder, Ehemann? Gab es irgendeinen Hinweis?«, fragte Käfer.
»Mir fällt ein, dass ich genau das komisch fand«, warf die junge Frau mit den gelb gesträhnten Haaren ein. »Es ist immer das Erste, was man hier erzählt. Fast jeder Satz fängt an mit Mein Vater hat oder Meine Tochter hat . Ich weiß nur noch, dass sie gesagt hat, der Diabetes wäre das geringste Problem. Aber das geht uns ja fast allen so.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Käfer.
Bevor die junge Frau antworten konnte, meldete der Leiter der Gruppe sich zu Wort. »Vielleicht sollte ich Ihnen kurz etwas über das Warum unserer Gruppe sagen«, begann er. »Viele fragen sich ja, warum sich Angehörige von Zuckerkranken überhaupt treffen.«
»Stimmt«, sagte Charlotte. »Ich hätte auch gedacht, dass eine Diabetes-Erkrankung für die Angehörigen zu verkraften ist.«
Der Leiter nickte. »Ganz genau. Aber damit verkennt man die Situation. Die meisten Teilnehmer hier haben Angehörige, bei denen es gilt, die Zuckerkrankheit noch zusätzlich zu einer wesentlich schwereren Erkrankung zu managen. Das ist ein Fulltimejob. Bei einem schwerkranken Patienten ist es nämlich enorm wichtig, den Zucker nicht aus den Augen zu verlieren.« Er wies auf die gepflegt wirkende Mittvierzigerin. »Nehmen wir zum Beispiel Frau Rösler. Ihr Mann ist alkoholkrank und kann sich daher nicht verlässlich um seine Insulin-Injektionen kümmern. Für den Vater von Herrn Schneider – das ist der dunkelhaarige Herr dort drüben – gilt Ähnliches. Er leidet an Alzheimer und kann sich die täglichen Spritzen nicht selbst setzen. Und Frau Kirsch hat ein Kind bekommen, das schon an Diabetes leidet.« Der Leiter wies auf die junge Frau, die sich an Tanja erinnern konnte. »Alle diese Angehörigen tragen die große Verantwortung für einen Patienten, der sich nicht selbst um seinen Zuckerspiegel kümmern kann. Sie müssen die richtigen Anzeichen erkennen, auf Ernährung und Flüssigkeitszufuhr achten und sich manchmal sogar Tricks ausdenken, um die Patienten zu versorgen. Da kann der Austausch mit anderen sehr hilfreich sein.« Er machte eine kurze Pause. »Ich bin selbst auch betroffen. Meine Frau hatte einen Schlaganfall. Bis auf diese Treffen bin ich rund um die Uhr
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