Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
abzuholen.“
Karolina drehte den Kopf und lächelte. Dann fielen ihr erneut die Augen zu.
„Karolina, sag etwas. Komm schon.“ Die Tante tätschelte ihre blassen Wangen.
„Dominik ...“, stammelte Karolina schlaftrunken.
„Nein, ich bin es, Carlotta. Wenn du dein restliches Leben nicht hinter dunklen Klostermauern fristen willst, dann wach gefälligst auf.“
„Tante Carlotta, bist du es wirklich?“ Karolina blinzelte. Sie sah alles nur verschwommen.
„Natürlich bin ich es! Komm zu dir, Kind.“
„Woher weißt du ...?“Karolina setzte sich mit Tante Carlottas Hilfe auf.
„Adela. Kannst du aufstehen?“ Sie reichte Karolina die Hand, damit sie sich an ihr hochziehen konnte.
„Ich denke schon. Weiß Vater davon? Er wird mich niemals gehen lassen.“
„Das lass mal meine Sorge sein.“
Karolina griff nach Tante Carlottas Hand und sah sie zweifelnd an.
„Steh auf und zieh dir was Warmes an. Die Nächte sind eisig.“
Die Aussicht, mit Carlotta zu gehen, beflügelte Karolina, wenngleich sie an den aufgebrachten Vater dachte und sich noch immer benommen fühlte.
Schwankend stand sie auf, um gleich darauf aufs Bett zurückzufallen.
„Malvina, Eliska, helft ihr“, befahl Carlotta. Erst jetzt bemerkte Karolina die beiden jungen Frauen, die im Türrahmen standen und sie voller Mitgefühl betrachteten. Die schwarzhaarige Eliska war zart gebaut und kleiner als Malvina, dennoch griff sie ebenso beherzt zu.
Zitternd wagte Karolina, einen Schritt vor den anderen zu setzen, gestützt von den beiden jungen Frauen.
Ihr Vater stand mit drohender Miene am Treppenabsatz, um ihnen den Weg zu versperren. Die Hände in die Hüften gestützt, donnerte er los.
„Ich habe dir nicht erlaubt, das Zimmer zu verlassen! Und dir, Carlotta, hatte ich verboten, mein Haus zu betreten!“
Tante Carlotta blieb gelassen.
„Ja, das hast du, Karel. Aber ich sehe nicht tatenlos zu, wie Karolina ins Unglück stürzt! Ich habe meiner Schwester auf dem Sterbebett versprochen, mich um sie zu kümmern.“
Die Entschlossenheit der Tante beeindruckte Karolina. Noch nie zuvor hatte sie gesehen, wie eine Frau ihrem Respekt einflößenden Vater die Stirn bot.
„Schweig! Karolina soll ein besseres Leben führen als Anna.“
„Fürchtest du dich, dass der Zeitpunkt nun gekommen ist, Karel?“
Karolinas Blick flog zwischen den beiden Streitenden hin und her. Sie verstand nicht, wovon sie sprachen.
„Karolina soll diese Gefahr nie kennenlernen.“ Vater knirschte mit den Zähnen.
„Welche Gefahr?“ Sie mochte es nicht, wenn über sie gesprochen wurde, als wäre sie nicht anwesend.
Aber ihr Vater überhörte die Frage. „Karel, du kannst ihr Schicksal nicht beeinflussen. Finde dich endlich damit ab. Irgendwann muss sie ihrer Berufung folgen.“
„Könnt ihr mir jetzt mal verraten, worum es hier geht? Ihr redet über mich, als wäre ich gar nicht da! Welche Berufung denn? Warum verstecken? Ich verstehe das alles nicht.“ Karolinas Empörung wuchs. Sie schwankte erneut und wurde von Malvina und Eliska aufgefangen.
„Bitte, mein Kind, das alles ... es ist ... wie soll ich dir erklären ...“
Ihr Vater suchte nach den passenden Worten.
„Lass sie gehen, Karel, sie folgt nur ihrem Ruf, so wie Anna.“
Es herrschte betretene Stille.
Tante Carlotta trat vor ihren Schwager und legte ihm die Hand auf den Arm. Bittend sah sie zu ihm auf.
Hinter Vaters Stirn arbeitete es. „Aber sie ist das Letzte, was mir geblieben ist.“ Sein schmerzerfüllter Blick berührte Karolina nun tief.
„Bitte, Tante Carlotta, erkläre mir, worum es geht.“
„Später. Jetzt müssen wir aufbrechen, bevor die Dunkelheit hereinbricht. Verabschiede dich von deinem Vater.“
Karolina besaß nicht die Kraft, sich der resoluten Tante zu widersetzen. Sie fühlte sich in diesem Moment wie eine leblose Marionette in einem Spiel, das Leben hieß. Tante Carlotta sprach von einem Abschied, als wäre er für immer. Wenn sie es recht bedachte, war immer eine Unruhe in ihr gewesen, die sie nie wahrhaben wollte und sich nicht erklären konnte. Undeutlich hatte sie diesen Abschied vorausgeahnt.
Langsam stieg sie die letzten Stufen herab, gestützt von Malvina und Eliska. Das Herz lag schwer in ihrer Brust. Dann stand sie ihrem Vater gegenüber. Malvina und Eliska ließen von ihr ab und traten einen Schritt zurück, damit Karolina sich von ihm verabschieden konnte.
Sie umarmte ihren Vater und schmiegte ihr Gesicht an seinen Hals. „Vater, ich kann
Weitere Kostenlose Bücher