Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
dem Haus im Schnee gestanden und zu ihr nach oben geschaut hatte. Es schien, als verstünde er, wie die Gefangenschaft sie erstickte.
20.
Auch an diesem Abend, kurz nachdem die Dunkelheit hereingebrochen war, zog es Dominik wieder nach draußen. Doch es war nicht nur der Hunger in ihm, sondern auch der Wunsch, Karolina zu sehen, der in ihm brannte.
Er nahm die Gestalt des Wolfes an und trabte durch den Schnee in den dichten Buchenwald. Dort würde er auf Beutefang gehen und anschließend seinen Weg zum Gut des Barons fortsetzen. So würde ihn niemand erkennen.
Dominik spürte nicht die eisige Kälte unter den dick gepolsterten Pfoten. Die Zweige unter ihm brachen knackend, als er sich einen Weg durch das Unterholz bahnte. Schließlich erreichte er die Lichtung, die nicht weit vom Gut des Barons lag. Aus der Ferne erkannte er die hell erleuchteten Fenster. Sein Herz schlug eine Spur schneller. Nur einen Blick auf sie werfen, nur noch einmal in ihr geliebtes Gesicht sehen können.
Atemlos hetzte er über den Innenhof des Gutes.
In ihrem Zimmer brannte Licht, doch dieses Mal stand sie nicht wie üblich am Fenster. Er verwandelte sich in die Fledermaus. Mit wenigen Flügelschlägen erreichte er den Fenstersims.
Karolina lag ausgestreckt auf dem breiten Bett. Ihre Augen waren geschlossen, die Wangen hohl und bleich wie die einer Toten. Sein Herzschlag setzte bei diesem Anblick für einen Moment aus.
Dann drehte sie den Kopf. Sie lebte.
Wie gern hätte er sie berührt, sie nah bei sich gefühlt, den Duft ihres Haares eingeatmet und den süßen Geschmack ihrer Lippen gekostet.
Weder könnte sie jemals seine Gefährtin sein, noch dürfte er sie lieben. Sie war eine Sterbliche und er ein Geschöpf der Finsternis. Es gab keine gemeinsame Zukunft für sie, eine Liebe zwischen ihnen war unmöglich! Und doch bestand sie, er konnte sie nicht aus seinem Herzen reißen. Die Erkenntnis, Karolina zu lieben, hatte ihn entsetzt, sogar das Fürchten gelehrt, vor sich selbst und vor den Gefahren, die auf sie lauerten. Weil er sie liebte, durfte er sie nicht mehr wiedersehen.
Diese Entscheidung glich einem Todesurteil. Sein Herz schlug schmerzhaft in der Brust. Deshalb hatte er sie nicht besucht, und deshalb konnte er ihr auch nicht helfen. Aber er hatte ihre Sehnsucht gespürt, die gleiche, die auch ihn verzehrte.
Lange hockte er vor dem Fenster und sah sie an, als müsse er jeden Zentimeter von ihr in sich aufnehmen, um sie nicht zu vergessen.
Erst als der Morgen dämmerte, schwang er sich in die Lüfte und flog zurück zum Schloss.
Jeden Abend suchte Dominik das Gut auf, um nach Karolina zu sehen. Obwohl er sich geschworen hatte, es nicht mehr zu tun, unterlag er seinem Verlangen.
Doch am heutigen Abend kehrte er nach der Jagd sofort aufs Schloss zurück. Er konnte es nicht mehr ertragen, dass sie ihm nie gehören durfte.
Grübelnd stocherte er mit dem Schürhaken in den Flammen, als Zdenka ihm den Besuch Elisabeths ankündigte.
Erstaunt sah er die Gräfin an. Heute Abend trug sie ihr kupferrotes Haar offen. Es fiel ihr in weichen Wellen auf die Schultern. Ihre engelsgleiche Schönheit stand im Gegensatz zu dem dämonischen Glitzern ihrer Augen, was verriet, wie sehr die Finsternis sie bereits beherrschte. Der Zeitpunkt, an dem sie mit dem Dämon vollkommen verschmolz, stand kurz bevor.
Elisabeth hatte freiwillig und mit Jiris Hilfe die Schwelle ins Schattenreich übertreten, bereit für die Rückkehr des dunklen Schöpfers, dem Vater aller Dämonen. Dominik erschauerte, als er ihrem Blick begegnete, der die Pforte zur Hölle ahnen ließ.
Das war nicht mehr die Elisabeth, die er einst vergöttert hatte. Dieses Geschöpf vor ihm war von der Aura des Bösen umgeben.
„Dominik, mein Teurer, du machst dich rar. Du bist in der letzten Zeit nicht einmal auf Jiris Bällen gewesen. Da musste ich einfach nach dem Rechten sehen.“
Sie schürzte die Lippen, ging auf ihn zu und hauchte einen Kuss auf seine Wange. Er zuckte bei der plötzlichen Eiseskälte, die seine Haut durchdrang, zurück. Sie war noch kälter als bei jedem Vampir. Es schien, als hätte der Tod ihn geküsst. Doch Dominik versuchte, diese Gefühle vor ihr zu verbergen.
„Was willst du wirklich, Elisabeth? Du hast doch nicht den weiten Weg unternommen, um dich nach meinem Wohlbefinden zu erkundigen?“
Die Gräfin lachte tief und heiser. Selbst ihr Lachen hatte sich verändert.
„Nun gut. So werde ich nicht lange um den heißen Brei reden. Ich habe dich
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