Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
endlich das Fenster?“ Die Frauenstimme klang ungeduldig.
„Ich glaubte, eben eine Bewegung gesehen zu haben, Malvina, unten im Hof.“ Karolina kniff die Augen zusammen und suchte nach einem Anzeichen.
„Ich wittere die Blutsauger auf Kilometer. Da ist keiner, glaub mir. Schließ endlich das Fenster, mir ist kalt.“
Karolina zog die Fensterflügel zu, spähte noch ein letztes Mal durch die Scheibe und drehte sich dann um.
Dominik atmete erleichtert auf.
Dann trieb ihn der Hunger in den Wald.
30.
„Ich hatte nie geahnt, dass in Prag so viele unterirdische Gewölbe existieren“, sagte Karolina und spannte die Armbrust. Sie kniff ein Auge zu und fixierte das Ziel, eine Puppe aus Sackleinen, auf einen Besen gespießt.
„Die meisten haben sie vergessen. Die Katakomben entstanden in der Zeit, als sich die Anhänger von Hus nach dessen Tod eine Zuflucht schaffen mussten.“
Carlotta trat hinter die Nichte und korrigierte mit wenigen Griffen deren Haltung. Eliska, Malvina, Hana und Adela standen im Halbkreis um Karolina und beobachteten sie schweigend.
„Du musst dein Ziel sorgfältig und schnell anvisieren. Die Armbrust ist eine präzise und effektive Waffe, dazu sehr elegant, und von uns Frauen gut zu bedienen. Bedenke, ein Moment des Zögerns oder ein Fehlschuss kann dich das Leben kosten. Vampire sind schneller, als das menschliche Auge es fassen kann. Sei auf der Hut vor Angriffen aus dem Flug heraus. Lass sie nie aus den Augen. Konzentriere dich.“
Karolina nahm die markierte Stelle auf dem Sackleinen ins Visier und schoss den Pfeil ab. Sie verfehlte ihr Ziel um eine Handbreit und schimpfte mit sich. Dann senkte sie die Armbrust.
„Ich habe das Ziel doch genau im Visier gehabt. Das gibt es doch nicht!“
„Du bist einfach nicht genug in Übung. Versuche es noch einmal. Schalte das Denken ab, lasse dich von deinem Gefühl leiten. Eine Dcera, die Liliths Blut in sich trägt, spürt die Schwingungen der Dämonen, ahnt ihre Bewegungen im Voraus. Du könntest sie blind treffen und hast uns viel voraus.“
„Willst du etwa behaupten, durch meine Adern fließe das gleiche Blut wie das dieser blutsaugenden Kreaturen?“ Entsetzt starrte Karolina die Tante an. Nur der Gedanke daran, sie könne etwas mit diesen Bestien gemein haben, jagte ihr einen Schauer nach dem anderen durch den Körper.
„Die erste heilige Dcera trank von Liliths Blut. Das machte sie immun gegen die Bisse der Vampire. Sie vererbte diese Eigenschaft an ihre Tochter und diese wieder an die ihre, bis deine Mutter es dir in die Wiege legte.“
„Wenn mich ein Vampir beißt, werde ich nicht zu einem von ihnen? Heißt es das?“
„Du kannst nie eine Vampirin werden und deine Tochter auch nicht. Diese Tatsache und deine Fähigkeiten machen dich für Vampire zu einem gefährlichen Gegner. Sie werden deshalb versuchen, dich als Erste zu töten. Deshalb musst du schneller sein als sie. Nutze die besondere Gabe, ihre Anwesenheit zu riechen, bevor ein Sterblicher sie sehen kann.“
„Du überschätzt mich, sonst hätte ich doch gleich erkannt, was Dominik Karolyí wirklich ist.“
„Der Schwarze Fürst ist kein reiner Vampir, das hat dich verwirrt, und du warst dir deiner Fähigkeiten noch nicht bewusst.“
Immer wenn jemand Dominiks Namen erwähnte, überwältigte sie erneut der Schmerz.
„Versuche es mit dem Silbermesser. Hier.“ Carlotta reichte ihr eines der Messer, die auf einem Holzklotz lagen, und nahm ihr die Armbrust ab.
„Wie soll ich denn mit einem Messer treffen, wenn ich noch nicht mal den Schuss mit der Armbrust beherrsche?“ Karolina betrachtete das Messer in ihrer Hand, dessen scharf geschliffene Klinge im Licht funkelte.
„Schließe die Augen und stell dir vor, der Mörder deiner Mutter stünde vor dir. Dann wirf.“
Die geflüsterten Worte Carlottas klangen für Karolinas Ohren beschwörend.
Sie wählte eine Position, hob den Arm, zögerte dann aber.
„Schließe die Augen und stelle dir deinen Gegner vor. Riechst du das warme Blut des Opfers, das an ihm haftet? Ruft es Ekel in dir hervor? Spürst du, wie Zorn und der Wunsch nach Rache in dir aufsteigen? Wie die Gefühle stärker in dir werden?“ Karolinas Hand, die das Messer fest umklammerte, zitterte. Sie roch tatsächlich das warme Blut, dachte an ihre Mutter, und das Bild der geschundenen Hana tauchte vor ihren Augen auf.
Sie ballte die Faust um den Schaft des Messers und presste die Lippen aufeinander. Alles, was sie in diesem Augenblick
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