Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
verspürte, war der Wunsch nach Rache.
„Jetzt wirf. Vertrau mir“, raunte die Tante ihr ins Ohr.
In diesem Moment warf Karolina mit einem Aufschrei das Messer. Es folgte das Geräusch eines gedämpften Knalles.
Carlotta tätschelte ihr die Schulter, und Karolina schlug die Augen auf.
Das Messer steckte inmitten der gekennzeichneten Stelle.
„Verstehst du nun, was ich meine?“ Karolina nickte, noch immer darüber verwundert, wie ihr das blind gelingen konnte.
Danach probierte sie es nochmals mit der Armbrust. Dieses Mal gelang ihr ein ebenso guter Treffer. Sie konnte nicht verhehlen, dass sie dieser Erfolg mit einer gewissen Befriedigung erfüllte.
„Du bist die auserwählte Tochter des Lichtes. Wir sind deine Schwestern, die dir bis in den Tod folgen werden.“ Carlotta ergriff Karolinas Hand und legte sie auf ihren gesenkten Kopf.
„Folgt ihr, meine Schwestern, bis zu eurem Tod.“
Die anderen bejahten die Aufforderung.
In der Nacht lag Carolina lange wach. Sie dachte an die Wochen, die sie seit ihres Vaters Tod in Carlottas Haus verbracht hatte. Die Waffenübungen gehörten zu ihrem täglichen Pensum.
Carlotta vermittelte ihr ein Wissen über die Welt der Finsternis und ihre Geschöpfe, von dem Karolina nie geglaubt hätte, es könne existieren. Wohlbehütet war sie auf dem Gut aufgewachsen, fern jedes schlechten Gedankens, der sie seit der Begegnung mit Dominik eingeholt und verändert hatte.
Hass und der Wille zu töten waren ihr vollkommen fremd gewesen. Doch mit jeder Kampfübung spürte sie, wie ihr Rachedurst wuchs, und wie sie sich danach sehnte, ihn endlich auszuleben.
Immer weiter perfektionierte sie ihren Umgang mit den Waffen, bis sie sie so gut beherrschte, um es mit jedem Gegner aufzunehmen zu können. Ihren geschärften Sinnen entging nichts. Sie betrat ein Terrain, das nicht grausamer und beängstigender sein konnte. Der ewige Kampf zwischen Gut und Böse fand auch in ihr statt. Erst im Morgengrauen schlief sie ein.
„Graf Boskovic hat einen neuen Diener“, sagte Eliska, als sie in die Küche trat, in der Hand einen Korb duftenden Brotes, das sie vom Markt geholt hatte.
Carlotta sah von ihrem Buch auf und hob fragend die Brauen. Auch die anderen Schwestern blickten erwartungsvoll zu Eliska.
„Ein Hüne, mit kräftigen Armen, die zupacken können.“
„Mit schütterem Haar und tief liegenden Augen?“ Karolina beugte sich vor. Eine furchtbare Ahnung stieg in ihr auf.
Eliska nickte. „Ich denke schon. Kennst du den Kerl?“
„Deiner Beschreibung nach ist es Jendrik, der ehemalige Diener meines Vaters, der mich nach Prag begleitet hat. Mein Gott, ich muss ihn da rausholen.“ Karolina war vom Stuhl aufgesprungen, entschlossen, sich sofort auf den Weg zum Stadtpalais des Grafen zu begeben, bevor die Dunkelheit hereinbrechen würde.
„Das ist keine kluge Entscheidung, Karolina. Du brächtest nicht nur ihn, sondern auch dich in Gefahr.“ Carlotta schob das Buch beiseite.
„Aber ich kann ihn doch nicht seinem Schicksal überlassen, nach allem, was in den letzten Tagen dort geschehen ist!“
Malvina hatte in den vergangenen Tagen immer wieder von dem Treiben im Stadtpalais Jiris berichtet. In drei Tagen stünde wieder eine Nacht des blauen Mondes bevor, in der die Dämonen ein grausames Ritual vollziehen würden. Danach wurde jedes Mal ein Mensch vermisst. Bislang war es den Dceras trotz aller Bemühungen nicht gelungen, hinter das Geheimnis des Rituals zu kommen oder den Ort des Geschehens ausfindig zu machen.
Vor einer Woche wurde aus der Moldau der Leichnam eines jungen Mädchens gefischt, übel zugerichtet, mit typischen Bissmalen übersät.
Karolina selbst hatte die Tote gesehen, ihr bleiches, vom Wasser aufgequollenes Gesicht mit den angstgeweiteten Augen. Sie war nicht älter als Hana gewesen. In der Stadt erzählten die Leute, dass es sich um eine Bäckerin handelte, die vom Land in die Stadt gezogen war, weil sie eine neue Stellung suchte. Jiri hatte sie eingestellt und Gefallen an der hübschen Frau gefunden.
Die Opfer häuften sich. Karolina musste hilflos mit ansehen, wie die Furcht in den Augen der Prager wuchs.
Jendrik könnte das nächste Opfer sein, das durfte nicht geschehen.
„Eine von uns wird gehen“, entschied Carlotta, und ihr Blick flog in die Runde.
„Nein! Ich kenne Jendrik schon lange, Tante!“
„Wenn wir dich verlieren, dann stehen wir wieder am Anfang. Du bist die Hoffnung Prags, Karolina.“
„Ich kenne Jendrik auch und könnte
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