Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
begann zu kreischen und machte den Versuch, sich von oben auf sie zu stürzen. Doch Karolina wich geschickt aus und visierte ihr Ziel neu an. Für einen Augenblick verwirrten sie Wendigkeit und Tempo, aber dann gewann der Spürsinn der Dcera in ihr die Oberhand. Sie schloss die Augen und konnte dennoch jede Bewegung der Vampirin sehen, wie mit einem inneren Auge.
Diese flog auf sie mit ausgestreckten Armen zu, um ihr die Armbrust zu entreißen. Wieder gelang es Karolina, dem Angriff auszuweichen.
Doch dann attackierte sie die Vampirin im Sturzflug von hinten. Karolina, die erneut ausweichen wollte, stolperte. Da durchbohrten die langen Krallen des dunklen Geschöpfes ihren Ärmel und rissen ihre Haut in Streifen. Heftiger Schmerz durchzuckte sie und verstärkte ihren Zorn. Blut floss ihren Arm entlang.
Sie drehte sich mehrmals in Windeseile um die eigene Achse, stets schussbereit.
„Ich erwisch dich doch, du elender Blutsauger!“, rief sie aus. Die Vampirin kreischte auf und lachte.
„Wer bist du, dass du es wagst, dich mir zu stellen?“
„Die Dcera Michaels, die euch Geschöpfe der Finsternis endgültig in Satans Arme schicken wird, damit eure Seelen für immer in Verdammnis leben.“
„Was kannst du schon gegen die mächtigen Dämonen ausrichten? Nichts! Selbst wenn du das Blut Liliths in dir trägst. Die Macht der dunklen Mutter ist stärker als die deine und die deiner heiligen Gesellen. Es wird mir ein Vergnügen sein, dich zu töten.“
„Das werden wir ja sehen.“
Die Spitze der Armbrust verfolgte jede noch so schnelle Bewegung der Vampirin, als wäre sie mit ihr durch ein unsichtbares Band verbunden.
Dann schoss Karolina den Pflock ab, der mit Präzision ins Herz des Opfers traf.
Tödlich getroffen fiel die Vampirin zu Boden. Ihr Körper brannte lichterloh, doch in ihren Augen glomm ein kaltes, blaues Feuer. Sie bewegte ihre Lippen, obwohl die Flammen davon Besitz ergriffen hatten.
„Du kannst mich nicht besiegen ...“ Die Stimme klang tief und fremd.
Da wusste Karolina, dass sie eine Vampirin erlegt hatte, die von einem Schattendämon auserwählt worden war. Carlotta hatte ihr oft genug davon erzählt. Sie zog das Schwert aus der Scheide und trennte mit einem einzigen, gezielten Hieb den Kopf der Vampirin vom Rumpf. Er zerfiel zu Staub und der Schattendämon entwich mit einem Schrei in die Dunkelheit. Karolina sah nach unten auf den zu Asche zerfallenden Körper.
Die Sonne ging am Horizont auf und überzog die Umgebung mit einem goldenen Schimmer. Schlagartig erwachte das Leben in Prag.
Karolina verließ zufrieden den Friedhof.
Vor dem Friedhofstor pfiff sie nach ihrem Hengst, der mit einem leisen Wiehern aus dem Hof trabte.
Als sie sich auf seinen breiten Rücken schwang, fühlte sie sich stärker als je zuvor. Eines Tages würde sie auch Jiri vernichten.
34.
Erschöpft kehrte Karolina zu Carlottas Haus zurück. Gerade, als sie den Hengst in den Stall führte, um ihn zu tränken, vernahm sie eilige Schritte im Hof. Einer Ahnung folgend, verbarg sie sich in einem Winkel des Stalles und spähte durch die Ritzen in der Holzwand.
Es war Eliska, die mit bloßen Füßen über das Kopfsteinpflaster zum Haus rannte, die Stiefel in der Hand, um keinen Lärm zu verursachen.
Das Klappen der Tür, das Karolina in der Nacht gehört hatte, war also doch keine Einbildung gewesen.
Eliska schloss leise die Tür auf und verschwand im Haus. Nachdenklich blickte Karolina ihr hinterher.
Nachdem sie das Pferd versorgt hatte, betrat auch sie das Haus.
Als Karolina die Treppe nach oben steigen wollte, nahm sie eine Bewegung neben sich wahr und hielt inne. Es war Carlotta, die in der Tür stand.
„Darf ich wissen, wo du gewesen bist, noch dazu allein?“
Karolina schluckte. „Ich war nur kurz an der frischen Luft.“
„Lüg mich nicht an. Du bist schon in der Nacht fortgegangen. Habe ich euch nicht eingebläut, wie gefährlich das sein kann, auch für eine Dcera? Wie konntest du nur, Karolina. Du hast mich enttäuscht.“
Karolina drehte sich zu Carlotta um. Es tat ihr leid, die Tante enttäuscht zu haben, aber ihre Taten bereute sie nicht.
„Es tut mir aufrichtig leid. Ich wollte dich nicht enttäuschen, ehrlich.“
„Du bist genauso wie deine Mutter, impulsiv und unberechenbar. Weißt du eigentlich, dass dieser Leichtsinn deiner Mutter damals das Leben gekostet hat? Das möchte ich nicht noch einmal erleben. Und ich habe geglaubt, du seist besonnener.“ Carlotta seufzte auf.
Karolina
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