Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
genügte, und der Protest erstarb auf ihren Lippen.
„Puh, da bin ich aber froh. Mir reicht noch die Begegnung mit dem Baron.
Und was Jendrik so erzählt hat ...“
Fast hätte Karolina das Treffen zwischen den beiden vergessen.
„Was hat er erzählt?“, wandte sie sich an die Freundin.
„Jendrik hat noch nie mit dem Grafen gesprochen. Boskovic lässt sich am Tag nicht sehen. Die Bediensteten tuscheln viel über das seltsame Treiben im Haus, aber meistens sind es nur Gerüchte. Keiner weiß Genaues. Abends gibt er seine Gesellschaften. Alles, was in Prag Rang und Adelstitel besitzt, reißt sich darum, sein Gast zu sein.“
„Welch morbides Vergnügen. Ein reich gedecktes Buffet für diese Blutsauger“, warf Karolina ein. Dabei bist du doch selbst einmal sein Gast gewesen, ermahnte sie eine innere Stimme. Aber sie hatte sich immerhin unter den frivolen Gästen nicht wohlgefühlt.
„Bevor es dämmert, verlassen die Vampire den Ball, der Rest vergnügt sich bis zum Morgengrauen.“
„Und keiner hat eine Ahnung, wohin die gehen? Die können sich doch nicht einfach so in Luft auflösen!“
Carlotta lächelte die aufgebrachte Hana an.
„Vampire können sich so schnell bewegen, dass es für unser menschliches Auge nicht sichtbar ist. Ehe du einen Wimpernschlag getan hast, sind sie fort. Das dürft ihr nie unterschätzen. Wir wissen noch sehr wenig über die Kräfte der Schattendämonen.“
„Von dieser Schnelligkeit konnte ich mich selbst überzeugen“, sagte Karolina, „denn als ich den Pflock auf den Grafen abschoss, war dieser schon bei dem Betrunkenen, sodass ich das Ziel verfehlte.“
„Vampire haben ein besonderes Gespür für Gefahr. Und einen ausgeprägten Geruchssinn. Wahrscheinlich hatte er dich bereits gewittert.“
„Und weshalb hat er dann nicht versucht, mich zu töten, Tante?“
„Jiri weiß, welche Kräfte in dir stecken, und ist daher vorsichtig. Nur ein Überraschungsangriff auf dich könnte ihn zum Sieger machen.“
„Auch ich habe seine Gegenwart körperlich gespürt. Seine dunkle Aura schien meinen Körper zu durchdringen, so mächtig und furchterregend war sie.“
Nachdenklich starrte Karolina ins Leere.
„Du wirst deine Kräfte mit der Zeit besser kennenlernen. Vertrau dich ihnen an, sie zeigen dir den Weg. Lasst uns jetzt in die Kapelle des heiligen Michael gehen und ihn um seinen Beistand bitten, wenn wir bei Tagesanbruch den Friedhof aufsuchen.“
33.
In der Nacht fand Karolina keinen Schlaf. Das furchtbare Geschehen lief immer wieder vor ihren Augen ab. Hass flammte in ihr auf, gegen Jiri, der, getrieben von seiner Blutgier, unzählige Sterbliche ermordete. Der Schmerz über den Verlust der Mutter saß noch immer tief. Sie musste den Vampir vernichten, sonst würde sie nie ihren inneren Frieden finden. Noch etwas bedrohte ihr Seelenheil: Dominik. Sie durfte keinen Gedanken mehr an ihn verschwenden. Er war genau so ein Untier wie Boskovic, das es zu töten galt.
Die Selbstvorwürfe bohrten sich in Karolinas Herz wie vergiftete Pfeile.
Noch einmal würde sie einen Vampir nicht davonkommen lassen.
Und sie wollte auch nicht auf den Tag einer zufälligen Begegnung warten, sondern ihn und sein Gefolge jagen.
Entschlossen schwang sie die Beine aus dem Bett. Hastig streifte sie den ledernen Anzug über. Dann schulterte sie die Armbrust und steckte das Kurzschwert in die Scheide, die am Hosenbund befestigt war. Zum Schluss stopfte sie ein paar Silberpflöcke in den Hosengürtel. Auf Zehenspitzen schlich sie aus dem Zimmer.
Zielstrebig lief sie zum Stall. Dort sattelte sie den schwarzen Hengst, bandagierte seine Hufe mit Sackleinen, um das Geräusch seiner Schritte zu dämpfen, und bestieg seinen Rücken. Leise schnaubend trabte er über den Hof in das kleine Wäldchen, das bis zur Moldau reichte.
Der Blutdiamant auf ihrer Brust schien zu glühen.
Sie spürte, wie ihr jemand folgte. Doch als sie sich umdrehte, konnte sie niemanden erkennen. Erst als ein Heulen erklang, wusste sie, dass ihr der schwarze Wolf auf den Fersen war. Dominik! Ihr Herz klopfte unerwartet schneller.
Unbehelligt erreichte sie die Karlsbrücke und schlug den Weg zum Burgfriedhof ein. In wenigen Stunden würde der Morgen anbrechen, ihr blieb also nicht viel Zeit. Bevor sie die Vampire tötete, wollte sie in deren Augen die gleiche Angst sehen wie in den Augen ihrer Opfer.
Sie passierte die Brücke und ritt durch die enge Gasse zur Burg empor. Intensiv spürte sie die Nähe von Vampiren wie
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