Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
dich aus.“ Carlotta zog sie hoch und schob sie die Treppe hinauf.
Karolina fiel todmüde aufs Bett und sofort in einen tiefen Schlaf.
Sie schlief bis zur nächsten Abenddämmerung.
„Ausgeschlafen!“ Jemand brüllte Karolina ins Ohr. Ihr Kopf dröhnte.
„Mein Gott, Adela, konntest du mich nicht weniger brutal wecken. Du bist ja schlimmer, als Elena es je gewesen ist.“ Karolina lag noch immer bäuchlings auf dem Bett. Jeder Knochen im Leib tat ihr weh.
„Von mir aus. Werd jetzt bloß nicht selber zum Vampir.“ Adela versetzte ihr einen Klaps aufs Hinterteil. Karolina drehte sich um.
„Wie soll ich denn das verstehen?“
„Na, die sind doch auch nur nachts unterwegs und verschlafen den Tag, genauso wie du.“
„Ha, ha. Ich konnte vergangene Nacht nicht schlafen, weil ...“
„Carlotta hat uns schon berichtet. Wirklich, Karolina, das war unverantwortlich von dir. Hast du denn überhaupt nicht an mich gedacht? Was soll ich denn ohne meine beste Freundin anfangen?“
„Ob du es verstehst oder nicht, aber ich musste es tun. Ich hatte immer diesen Gedanken an den Tod meiner Mutter im Kopf, und dann diese scheußliche Szene vor dem Palais.“
„Das verstehe ich ja, dennoch ...“
„Nichts verstehst du. Es ist meine Bestimmung, diese Bestien zu töten. Und weißt du was, es hat mir gefallen, ihnen alles zurückzuzahlen, was sie meiner Mutter und all den anderen angetan haben.“
Adela schluckte. „Das meinst du doch nicht im Ernst?“
„Doch, das ist mein Ernst.“
„Ich kenne dich nicht wieder. Du hast doch immer auf das fünfte Gebot gepocht, wenn Carlotta davon sprach, die Vampire zu vernichten. Und du warst es auch, die ihr Haus verlassen hat, weil dich ihr Hass gestört hat. Aber der hat jetzt von deinem Herzen Besitz ergriffen.“
„Was weißt du denn schon? Hast du die Sache mit Hana vergessen? Wie sie blutüberströmt vor Carlottas Haus gelegen hat. Ich nicht. Und gestern musste ich hilflos mit ansehen, wie Boskovic zwei Menschen regelrecht abgeschlachtet hat. Mit einer Kaltblütigkeit, die du in deinen schlimmsten Träumen nicht erleben musst. Er ist der Mörder meiner Mutter. Ich muss ihn besiegen, wenn Prag wieder aufatmen will. Das, was mir dabei hilft, sind der Hass und der Abscheu in mir.“ Karolinas Augen füllten sich mit Tränen. Sie glaubte, an dem Hass ersticken zu müssen, wenn sie keine Vergeltung übte.
Betroffenheit zeichnete sich auf Adelas Gesicht ab. „Mein Gott, was hast du durchgemacht. Es tut mir so leid, Karolina. Aber verstehe auch meine Sorge um dich. Ich habe Angst davor, es könnte dir etwas zustoßen.“
„Gestern Nacht habe ich die Kräfte, von denen Carlotta gesprochen hat, zum ersten Mal in mir gefühlt, sie waren so stark. Meine Mutter war mir in diesen Momenten nah wie noch nie zuvor. Es war, als führte sie meine Hand. Ein unglaubliches Gefühl. Es wird mir gelingen, dem Terror des Grafen ein Ende zu setzen.“
„Und dann? Was ist, wenn du ihn getötet hast? Wirst du deinen Hass verlieren und glücklich sein?“
„Nein. Das Glück hat mich in dem Augenblick verlassen, als ich Dominik gesehen habe, wie er wirklich ist. Mit einem Fingerschnippen tauchte meine Welt in die gleiche, trostlose Dunkelheit, die auch ihn umgibt.“
In Karolinas Augen stiegen Tränen auf, die sie mühsam fortzublinzeln versuchte. Noch immer beherrschten sie Schmerz und Hoffnungslosigkeit, wenn sie an ihn dachte.
„Liebst du ihn noch immer?“
Jetzt konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten.
„Adela, ich habe gestern Nacht seine Nähe gespürt. Aber es gibt keine Zukunft für uns. Er ist eine Bedrohung für uns alle. Irgendwann wird er auch unser Blut trinken wollen, wenn die Gier so groß ist, dass er sie nicht mehr beherrschen kann. Das kann und will ich nicht riskieren.“
„Das hört sich so an, als wolltest du ihn töten?“
„Es gehört zu meinem Schicksal.“ Wie schwer fielen Karolina diese Worte, die sich wie glühende Schwerter in ihr Herz bohrten. Adela zog sie wortlos in den Arm.
35.
Als die Dunkelheit hereinbrach, verließ Dominik sein Stadthaus, das viel bescheidener war als das prächtige Palais Jiris.
Der Hunger führte ihn zum Schlachthof, der ihm aber nicht die Atmosphäre im Wald ersetzen konnte. Doch er wollte Prag wegen Karolina nicht verlassen. Er fürchtete um ihr Leben.
Eine innere Unruhe trieb ihn rastlos durch die Straßen, immer auf der Suche nach ihrer Nähe. Das Verlangen, sie zu sehen, brannte in ihm stärker als
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