Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
spürte, wie die Hitze in ihre Wangen schoss. Sie schwieg. Carlottas Vorwurf war berechtigt.
„Also, wo bist du nun gewesen?“ In Carlottas Blick lag aufrichtige Sorge.
„Auf dem Friedhof unterhalb der Burg.“
„Und?“
„Ich habe zwei Vampire vernichtet.“ Karolina konnte ein triumphierendes Lächeln nicht unterdrücken. Sie war stolz, es allein geschafft zu haben.
„Du bist allein gewesen! Was wäre geschehen, wenn du getötet worden wärest? Auf dir ruht die Hoffnung Prags.“ Carlotta umfasste grob Karolinas Arme.
„Mir ist doch nichts geschehen. Ich bin gut damit fertig geworden. Und soll ich dir was sagen? Es hat mir sogar Spaß bereitet.“
Erschüttert ließ Carlotta die Arme sinken.
„Was sagst du da? Es hat dir Spaß bereitet? Wir töten nicht aus Spaß, sondern weil unser Leben als Sterbliche bedroht ist und wir den göttlichen Auftrag erhielten, die Erde von den Dämonen zu befreien.“
Carlotta sprach leise und bedächtig.
„Aber ihr freut euch doch genauso, wenn ihr einen der Blutsauger in die Hölle befördert habt. Gib es zu, Tantchen.“ Karolina zog die Augenbrauen wütend zu einem Strich zusammen. Wie konnte die Tante sie nur tadeln!
„Nein, da irrst du dich. Alles, was ich dabei empfinde, ist Dunkelheit und eine gehörige Prise Schmerz. Du vergisst, dass diese Kreaturen einst Menschen gewesen sind, aus Fleisch und Blut, wie du und ich.“
„Ach, diese Einsicht kommt recht spät. Als wir das letzte Mal zusammen geredet haben, hast du nur vom Vernichten gesprochen.“
„Ja, weil es keinen anderen Ausweg gibt. Ich wünschte, ich könnte ihnen wieder das Leben zurückgeben, das sie einst besaßen. Aber es ist unmöglich, sie aus dem Verderben zu reißen.“
„Wo liegt denn der Unterschied zwischen Vampir und Vampir? Ich sehe da keinen.“ Karolina stemmte die Hände in die Hüften.
„Es gibt junge Vampire und solche, die es vom Anbeginn der Zeit sind. Boskovic und Drazice sind Vampire seit Anbeginn der Zeit, die Kinder Liliths und Kains. Seit damals haben sie in ihrer Blutgier tausendfach gemordet. Boskovic ist der Anführer. Er und Drazice bereiten die Rückkehr Kains und Liliths vor, so wie es im Buch von Nod beschrieben wurde.“
„Du sprachst immer nur vom Lande Nod. Was ist das Buch von Nod?“
„Es ist die Bibel der Vampire und besteht aus mehreren Teilen. Im ersten Teil sind die Anfänge der Dämonenwelt beschrieben, der zweite umfasst die Regeln Kains für seine Nachkommen, der dritte Teil beschreibt eine Art Jüngstes Gericht, und der letzte Teil widmet sich dem Kodex und dem Tribut der Vampire.“
Karolinas Kopf fühlte sich leer an. Es fiel ihr schwer, den Worten der Tante zu folgen. „Puh. Das ist eine Flut von Neuigkeiten, die ich nicht ganz verstanden habe“, gestand sie. „Was bedeuten denn Kodex und Tribut?“
„Im Kodex sind die Lebensregeln für einen Vampir enthalten, wann und wie er jagen und wen er sich zum Gefährten erwählen darf. Doch der Tribut ist von besonderer Bedeutung. Er ist von den Vampiren an die Schattendämonen zu entrichten, für ein Bündnis von unvorstellbarer Grausamkeit, das ihnen mehr Macht verleiht. In jeder Nacht des blauen Mondes müssen sie den Schattendämonen ein Opfer bringen, damit dieser Pakt bestehen bleibt.“
„Und wie geschieht das?“
„Darüber kann ich nichts sagen, denn niemand spricht darüber. Alle fürchten sich vor der dunklen Macht. Und Boskovic ist der Bote dieser Welt.“
„Es ist gut, dass ich jetzt davon weiß.“
„Du siehst, es gibt noch viel zu lernen, selbst wenn du eine Dcera bist.“
Alles begann, um Karolina zu kreisen. Sie schwankte und hielt sich im letzten Moment am Treppengeländer fest.
„Ruh dich aus, du bist erschöpft.“ Carlotta griff ihren Arm. Fast hätte Karolina vergessen, Eliska zu erwähnen, die sich heimlich ins Haus gestohlen hatte.
„Hast du Eliska eigentlich auch so viele Vorhaltungen gemacht und ihr davon erzählt?“
„Was meinst du damit?“
„Sie war doch auch die ganze Nacht draußen.“ Karolina setzte sich auf die Treppe, zog die Knie an und umschlang sie mit den Armen. Dann gähnte sie herzhaft.
„Wie kommst du denn darauf?“
„Weil ich sie gesehen habe, als sie heute Morgen über den Hof lief.“
„Das kann nicht sein.“ Carlotta schüttelte den Kopf. „Malvina hätte ihr Fortgehen bestimmt bemerkt.“
„Du glaubst mir nicht? Ich habe sie gesehen.“
„Nun gut, ich werde sie nachher fragen. Und du gehst jetzt hinauf und schläfst
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