Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
um sich in einem lauten Donnerschlag zu entladen.
Ihr Hut war durchweicht und die Nässe drang auf ihre erhitzte Kopfhaut.
Sie zog den Hut vom Kopf, hob den Kopf und blickte zum Burgturm auf. Im Schein des Blitzes glaubte sie einen Schatten oberhalb der Burgmauer zu sehen. Sie schüttelte ihr nasses Haar und setzte den Weg fort.
Karolina musste besonders vorsichtig sein, denn ihr Gegner besaß von oben einen besseren Überblick als sie unten.
Ihr einziger Verbündeter war das Wetter, das auch einem Vampir die Sicht und Witterung erschwerte.
Nach wenigen Schritten passierte sie das unbewachte Burgtor. Selbst der König mied Prag, und die Wachen zogen sich bei Anbruch der Dunkelheit hinter die schützenden Mauern zurück.
So konnte Karolina unbehelligt in den vorderen Burghof vordringen.
Der intensive Duft von Knoblauch hüllte sie ein, den zahlreiche Knoblauchblüten verströmten, die an die Türen zur Abwehr von Vampiren genagelt waren.
Karolina lächelte über die Prager, die zu wenig über Vampire wussten und sich Abwehrmaßnahmen bedienten, die nicht gerade Erfolg versprechend waren.
Knoblauch war bei den Vampiren wirkungslos, die Schattendämonen in sich trugen, was Drazice noch größere Macht verlieh.
Sie fragte sich nur, welchen Plan er jetzt verfolgte. Plante er einen Überraschungsangriff oder lockte er sie in eine Falle?
Ein Blitz erhellte für den Bruchteil einer Sekunde den Innenhof und gab für Sekunden den Blick auf eine Gestalt frei, die in Schwarz gekleidet vor ihr in einer Nische stand.
Er hatte sie also bemerkt und erwartete sie bereits.
Karolina freute sich auf den offenen Kampf und griff nach der Armbrust. Sie kannte seine Schnelligkeit und musste auf der Hut sein.
Langsam ging sie Schritt für Schritt voran, die Armbrust gegen die Schulter gestützt. Ihre Sinne verrieten ihr, dass der Vampir noch an der gleichen Stelle verharrte. Das verunsicherte sie.
Nur wenige Schritte von ihr entfernt erhellte ein weiterer Blitz seine Gestalt. Karolina erschrak bis ins Mark, als sie die blauen Augen erkannte.
„Dominik“, flüsterte sie, während ihr Herz wie wild in der Brust zu hämmern begann. Doch im nächsten Moment hatte sie die aufsteigenden Gefühle wieder unter Kontrolle.
Sie musste einen kühlen Kopf bewahren. Mit aller Kraft presste sie die Zähne zusammen.
Sie sah sich nach Drazice um, konnte ihn aber nirgends entdecken.
„Wo ist Drazice?“, herrschte sie ihn an.
Dominik zuckte zusammen. „Nicht hier“, antwortete er ruhig.
„Und das soll ich dir glauben?“ Sie spannte die Armbrust und versuchte dabei, das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken, was ihr aber nicht vollends gelang.
„Das musst du wohl oder übel. Wenn Anton hier wäre, hätte er dich schon längst angegriffen. Er ist nicht zimperlich mit seinen Gegnern.“
Dominiks Erklärung klang zwar plausibel, dennoch ließ sie die Waffe nicht sinken. Er war ein Geschöpf der Finsternis, das, wie alle seiner Art, brutal tötete, um seine Gier nach Blut zu befriedigen. Eine Stimme des Zweifels machte sich in ihr stark und versuchte, die Anschuldigungen gegen Dominik zurückzuweisen.
Karolina trat noch näher auf ihn zu.
Der Regen hatte in der Zwischenzeit aufgehört, nur der starke Wind blies ihr weiterhin ins erhitzte Gesicht. Die dichte Wolkendecke riss auf und verschaffte dem Mondlicht freie Bahn. Sie blickte in Dominiks Gesicht, in dem ihr jeder Zug vertraut war. Das brachte ihr Vorhaben, ihn zu töten, ins Wanken. Sie konnte kaum den Blick von ihm abwenden, ihre eiskalten Hände umklammerten die Armbrust, als suchten sie an ihr Halt.
Eine Weile standen sie sich schweigend gegenüber, und ihre Blicke tauchten ineinander. Die Gefühle drohten sie zu überwältigen.
„Weshalb zögerst du, Karolina? Schieß! Sieh her, auch ich bin ein Verdammter, den es zu töten gilt. Es ist ganz leicht, ich bleibe stehen. Du musst nur den Silberpflock deiner Armbrust abschießen, damit er sich in meine Brust bohrt. Du brauchst noch nicht einmal Silber dazu. Mein Herz ist ein menschliches, das ganz einfach zu töten ist.“
„Sei still“, zischte sie ihn an. Schweiß rann ihren Rücken entlang. Es gelang ihr nicht abzudrücken. Sie presste die klappernden Zähne aufeinander und konzentrierte sich auf den Schuss, aber wieder zögerte sie. Tränen schossen in ihre Augen, die sie fortzwinkerte. Noch einmal straffte sie die Schultern und nahm ihn ins Visier.
„Bevor du mich umbringst, sollst du noch eines wissen, Karolina.
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