Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
Moment gelten. Verschiedenste Gedanken eroberten ihr Hirn wie eine Sturmflut und verwirrten sie.
Karolina blieb stehen. Weshalb sollte sie nicht einen von ihnen laufen lassen? Weil sie Satans Kinder sind, meldete sich die innere Stimme ihres Gewissens.
Sie spürte, wie ihre Hand, die die Armbrust hielt, zu zittern begann und Schweiß aus ihren Poren brach, der eiskalt ihren Rücken hinunter rann.
Die Miene des Vampirs entspannte sich und ein Lächeln glitt über sein Gesicht. Er legte den Kopf in den Nacken und die Spitzen seiner Fangzähne blitzten auf.
Da gewann ihr Zorn die Oberhand zurück, sie straffte die Schultern und visierte den Vampir aufs Neue an.
„Fast hättest du mich getäuscht, Blutsauger, aber nur fast. Dein hypnotischer Blick wirkt bei mir nicht.“ Schon teilte der Silberpflock die Luft und streckte den Vampir, der einen letzten Schrei von sich gab, nieder.
Karolina lächelte zufrieden über den erfolgreichen Verlauf ihrer Jagd. Jetzt galt es, Drazice zu verfolgen. Sie warf noch einen flüchtigen Blick auf die schwelende Asche, die eben noch ein Vampir gewesen war, und schulterte die Armbrust.
Jemand beobachtete sie. Sie wirbelte um die eigene Achse, konnte aber nichts entdecken. Mit aller Kraft konzentrierte sie sich auf ihre Sinne, aber diese schienen ihr unerklärlicherweise nicht zu gehorchen.
Feste Schritte entfernten sich. Drazice! Karolina nahm sofort die Verfolgung auf.
Der Baron lief in zügigem Tempo in Richtung Burg. Karolina hatte große Mühe, mit ihm mitzuhalten. Keuchend rannte sie den steilen Anstieg empor. Dann verklangen seine Schritte für eine Weile, sodass sie an eine Halluzination glaubte, doch wenig später hallten sie erneut durch die Gassen.
Plötzlich wechselte er die Richtung und lief zum Palais zurück. Karolina hetzte hinter ihm her. Eine unerklärliche Furcht ergriff von ihr Besitz und schnürte ihr die Kehle zu, Schweiß rann von ihrer Stirn und tropfte auf ihren Lederanzug.
Der Vampir schlug Haken wie ein Hase.
Sie konnte sich nicht erklären, weshalb er zurücklief. Es sei denn ...
Ihre Lungen waren kurz vor dem Bersten. Es dauerte fast eine Ewigkeit, bis sie keuchend das Palais der Gräfin erreichte.
Dort herrschte wieder diese bedrückende Stille. Die Schritte waren verklungen. Keine ihrer Gefährtinnen war zu sehen, ebenso wenig der Vampir. Karolina roch den Hauch des Todes, der sie nun umgab. Ihr Herz raste vor Furcht und Anstrengung.
Atemlos erreichte sie das Eingangsportal des Palais. Das Licht in allen Fenstern war erloschen. Karolina schlich auf Zehenspitzen am Palais entlang. Irgendwo musste der Vampir doch geblieben sein. Sicher harrte Drazice in einem Hinterhalt, um einen Überraschungsangriff zu starten.
Karolina spannte einen Pflock in die Armbrust und zog das Schwert. Immer wieder ließ sie ihren Blick umherwandern.
Nachdem sie das Palais fast umrundet hatte, vernahm sie ein leises Schluchzen, das aus einer schmalen Gasse kam.
Den Anblick, der sich Karolina bot, würde sie nie vergessen. Carlotta und Adela lagen mit ausgebreiteten Armen, wie flügellahme Vögel, reglos auf dem Boden. Ihre Oberbekleidung war zerrissen und von Blut durchtränkt. Ihre Augen starrten blicklos zum Himmel.
An ihren Halsschlagadern klafften Wunden, aus denen noch immer Blut sickerte. Karolina beugte sich über ihre Tante. Tränen stiegen in ihr auf. Behutsam schloss sie die Augen der Toten und schlug mit der Hand ein Kreuz über ihrem Kopf. Verzweiflung und Wut brannten in ihr wie Feuer.
Dann wandte sie sich Adela zu. Während die Tränen unaufhaltsam über Karolinas Wangen rannen, schloss sie auch die Augen der Freundin und sprach ein Gebet. Ein leiser Schluchzer fuhr plötzlich über Adelas Lippen. Sie lebte noch.
„Adela?“ Karolina strich der tot geglaubten Freundin sanft über die Wange.
Sie schob ihren Arm unter Adelas Kopf, die mühsam nach Worten rang. Ein feines Rinnsal von Blut floss aus ihrem Mundwinkel übers Kinn.
„Adela, du lebst“, stammelte sie und strich der Freundin eine blutverkrustete Haarsträhne aus der Stirn. „Was ist geschehen?“
„... wollte ... mutig sein“, hauchte sie und ein gequältes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Dann hustete sie und spuckte Blut, das Karolina ihr mit der Hand fortwischte.
„Aber du bist doch mutig, Adela. Wer hat euch das angetan?“
Adela stöhnte auf und öffnete die Augen. Unruhe erfasste sie und ließ ihren Körper erzittern.
„Du brauchst keine Angst zu haben, ich bin bei dir.
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