Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
würde.
Dann sah er, wie Orlanjis sein Gewehr in seine Richtung schwenkte. Für einen kurzen und schrecklichen Augenblick glaubte er, nichts gewonnen zu haben. Orlanjis schoss, und direkt hinter Fejelis schrammte etwas über das Geländer. Fejelis warf sich flach auf den Boden, rollte sich ab und starrte zu der Kreatur, die zwar mannshoch, aber nicht wie ein Mann geformt war, und mit einer Kralle am Geländer festhing. Eine mächtige Brust mit vorspringendem Brustbein und eingefallenem Bauch, die Muskeln des Geschöpfes zuckten, während seine Flügel flatterten. Das Kinn und die untere Hälfte des Gesichtes waren die eines Mannes, doch seine Augen ließen sich kaum erkennen. Ein feiner Pelz bedeckte Kopf und Torso. Orlanjis und Jovance feuerten gleichzeitig, jeder aus seiner Ecke. Haut platzte auf, Blut spritzte, und der Schattengeborene krachte rittlings auf das Geländer, um wie ein halb gefüllter Sandsack auf den Boden zu gleiten. »Um der Mutter willen, passen Sie auf «, brüllte Jovance ihm zu. »Der Nebel verbirgt sie!«
In der Tür sagte Midha: »Die Leute vom Bahnknoten Stranhornes haben gesagt, einige von ihnen können fliegen.«
Keuchend stieß Jovance hervor: »Das haben wir gemerkt. Willst du diese Ecke übernehmen? Ich kümmere mich um die vordere Seite und hole uns Munition. Eure Prächtigkeit … «
»Ja, mir geht es gut«, unterbrach Fejelis sie, bevor sie oder Orlanjis sich umdrehten, um ihn anzusehen. Er rappelte sich hoch, hob sein Gewehr auf – wobei er der Mutter Aller Geborenen Dinge dankte, dass es nicht losgegangen war –, holte tief Luft und trat ans Geländer.
Der Nebel waberte, und seine Bewegungen raubten Fejelis die Orientierung. Er schoss zweimal auf Phantome, bevor er tatsächlich seine erste Kreatur sichtete und sie mit seinen Fehlschüssen in Jovances Richtung trieb. Er hörte mehrere Schüsse aus Orlanjis’ Richtung, dann folgte eine nervenaufreibende Pause. Zwischen ihnen stand Jovance und stieß hervor: »Wenn Sie nachladen müssen, sagen Sie: ›Geben Sie mir Deckung‹, damit wir dazu bereit sind.«
Fejelis schoss auf den Boden, wo sich der Nebel kräuselte und sich dunkle, körperliche Gestalten bewegten. Zweimal hinterließ er einen verletzten Schattengeborenen, dem Orlanjis oder Midha den Rest gaben. »Nachladen«, krächzte er und bemerkte just in jenem Moment, als Jovance ihm einen Beutel in die Hand drückte, dass er nichts hatte, womit er nachladen konnte. »Ihr kleiner Bruder hat an seine Munition gedacht«, tadelte sie ihn, bevor Jades »Geben Sie mir Deckung« sie auf die gegenüberliegende Seite rief.
Der Nebel wallte, doch er konnte trotz seines von Adrenalin geschärften Sehvermögens nichts entdecken. Orlanjis schrie in Panik auf und schoss wild los. Fejelis brach die Formation, um einen kurzen Blick über seine Schulter zu werfen …
… und sah einen fliegenden Schattengeborenen, der zwei von Orlanjis’ Lichtern aus den Verankerungen riss, während ein anderer sich vom Dach auf ihn herabfallen ließ. Orlanjis stürzte unter seinem Gewicht lautlos vornüber. Von der anderen Seite des Häuschens rief Jovance: »Positionen halten!« Wie gebannt verharrte Fejelis, als der fallende Schattengeborene zurückzuprallen schien und gegen die Gesetze der Schwerkraft gen Himmel gestoßen wurde. Dann zerplatzten beide Schattengeborene, als habe eine gewaltige Faust sie zerquetscht. Fleisch, Knochen und Blut spritzten auf den Bahnsteig, das Dach, den Boden und auf Orlanjis. Die unbefestigten Lichter baumelten wild über Orlanjis’ Kopf.
»Fejelis – drehen Sie sich nach außen!«, rief Jovance und ließ sich neben Orlanjis auf die Knie fallen. »Ich habe ihn.« Fejelis wirbelte herum, durchforstete mit seinen Augen den Nebel, und sein Finger am Abzug zuckte.
Er hatte keine Ahnung, wie viele Stunden vergangen waren, als Jade leise neben ihm sagte: »Sie sind weg.« Er nahm Fejelis das Gewehr ab und drehte ihn zu Jovance um, die einen zitternden und blutbespritzten Orlanjis stützte. Jovance überließ Orlanjis Fejelis’ Umarmung, und er konnte unter seinen Händen den zerrissenen Stoff über der unversehrten Haut spüren. »Danke«, hauchte er über die Schulter seines Bruders hinweg. »Danke.«
»Ich«, sagte Jade, »hätte mir gewünscht, dass Jovance nicht so lange gezögert hätte. Das war ziemlich knapp.«
»Du hast gut reden«, erklang Tams müde Stimme von der Tür. »Es war schließlich nicht deine Magie.«
»Ich wollte nicht herausfinden, dass sie
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