Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
qualvollen Augenschmerzen an. »Ich denke, ich kann es aushalten«, erwiderte er, »aber dieser Nebel … « Als Tam sie abgesetzt hatte, waren die Schwaden so dicht gewesen, dass ihnen nichts anderes übrig geblieben war, als sich an den Gleisen entlang vorzutasten.
»Es ist immer noch neblig. Im Telegramm stand, in Stranhorne habe es Schnee, Wind und heftige Gewitter gegeben. Ein Magier aus ihrer Gruppe meinte, das Wetter sei magischer Natur. Der erste Zug hat Stranhorne vor anderthalb Stunden verlassen, das heißt, es wird grob geschätzt noch eine Stunde dauern, bis er hier eintrifft, und eine weitere halbe Stunde, bis er den Bahnknoten erreicht. In dem Zug sitzen einige Mitglieder der Familie Stranhorne. Ein weiterer Zug folgt eine halbe Stunde später. Uns bleibt also noch Zeit, draußen zu üben, wie wir uns selbst und die Lichter schnell in Stellung bringen und die Positionierung wieder auflösen können. Bei jedem Bahnhof, den der Zug passiert, erhalten wir ein Signal, folglich wissen wir, wann sie sich uns nähern.«
Sie sah Midha flüchtig an, der schwieg, und fuhr fort: »Jeder bekommt vier Lichter und stellt sie um sich herum auf, anschließend nimmt jeder seine Position ein.« Midha öffnete der Dunkelheit die Tür. Fejelis Mund trocknete aus, als er sich an das halluzinogene Halblicht der Nacht zuvor erinnerte und an die Suche nach Überlebenden im Schutt des gefallenen Magierturms. Orlanjis hatte sich regelrecht in das schwarze Maul gestürzt und Fejelis ihm folgen müssen.
Das Häuschen stand auf einer viereinhalb Meter hohen Plattform, umgeben von einer überdachten Veranda, sodass sie bei Licht und ohne Nebel eine gute Aussicht gehabt hätten. Aber jetzt konnten sie kaum den Verlauf der Eisenbahnschienen ausmachen.
»Das war zu langsam«, sagte Midha zu Jovance. Fejelis vermutete, dass er normalerweise das Sagen hatte, es aber anscheinend bevorzugte, wenn Jovance sich um die einschüchternden Gäste kümmerte. Sie war einst eine Tempelmagierin gewesen.
Sein Einwand führte dazu, dass Jovance eine Aufstellung in Paaren ausprobierte, wobei zwei Gewehrschützen die Diagonalen abdeckten und die anderen sich um die Lichter kümmerten; das funktionierte besser. Während Sorrel in das Häuschen zurückging, um den Telegrafen zu überwachen und den Kessel aufzusetzen, da es eine lange Nacht zu werden versprach, ließ Jovance sowohl Fejelis als auch Orlanjis mehrere Runden auf ein Schild schießen. Sie nahm das am nächsten stehende als Übungsziel, da es das Einzige war, das man in dem Nebel erkennen konnte. Zwar entpuppte sich Orlanjis als der bessere Schütze, aber er konnte das abgedunkelte Zielrohr nicht benutzen. Jovance tauschte es gegen ein lichtdurchlässiges aus, warnte Orlanjis jedoch davor, nun vielleicht Schwierigkeiten beim Zielen zu haben.
»Ich war schon nachts auf Jagd«, begann Orlanjis. Mitten im Satz hob er sein Gewehr, spähte durch das Zielrohr, schoss und geriet durch den Rückstoß leicht ins Taumeln. Aus dem Nebel über den Gleisen ertönte ein zorniges Heulen. Orlanjis schoss abermals, jetzt mit ruhigerer Hand, und das Heulen brach ab.
Jovance sagte zu Midha: »Wir sollten Sorrel bitten, dem Bahnknoten zu telegrafieren, damit wir mehr darüber erfahren, womit wir es überhaupt zu tun haben.« An Orlanjis gewandt fügte sie hinzu: »Was war das?«
»Keine Ahnung. Ein großes Tier.« Beim letzten Wort klapperten seine Zähne, und er biss sie fest zusammen.
Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Dann war es also ein größeres Ziel. Dort draußen ist zu viel Licht für Nachtgeborene und zu viel Dunkelheit für Lichtgeborene. Also tun Sie sich keinen Zwang an und schießen Sie auf alles, das nicht wir sind.«
Sie hat den Galgenhumor einer Leibgardistin, ging es Fejelis durch den Kopf. Über den Bahnsteig hinweg tauschte er einen Blick mit Orlanjis. So hell die Lichter auch sein mochten, verglichen mit dem Sonnenlicht waren sie kühl und fahl. Orlanjis’ Gesicht war vom Mangel an Sonnenlicht und aus Furcht bleich und vom sich senkenden Nebel feucht. Bei seiner lebhaften Fantasie musste die Nacht vor lauter Gräueln wimmeln. Für Fejelis bedeutete die Möglichkeit, dass er Orlanjis zum Sterben hierhergebracht haben könnte, das größte Grauen. Nachdem man ihm seinen Bruder jahrelang als den Favoriten der südlichen Fraktion und seinen größten Rivalen präsentiert hatte, hatte er niemals erwartet, dass er durch eine einzige, impulsive Tat Orlanjis’ Loyalität gewinnen
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