Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
Pause. Das Gesicht des Erzherzogs verriet nicht, was er dachte. »Die Lichtgeborenen haben Forderungen gestellt, die auf eine vollkommene Unterwerfung unter ihre Herrschaft und die Aushändigung der gesamten Stadt hinauslaufen. Die Lichtgeborenen leugnen die Existenz der Schattengeborenen und geben uns die Schuld an Prinz Isidores Tod, obwohl sie nicht sagen können, wie wir das angestellt haben sollen. Mycenes und Kalamays Verantwortung für die Zerstörung des Turms und an dem Tod zahlreicher Magier ist unbestreitbar. Wenn wir uns auch nur einen weiteren Angriff leisten, werden sie nicht davor zurückschrecken, unsere Mauern einzureißen. Wie soll ich sicher sein, dass nicht Sie diesen Angriff führen werden?«
»Ich bin überzeugt«, antwortete Balthasar, »dass Florias Verhexung das Werk des anderen schattengeborenen Magiers war, der auch für die Verhexung Vladimers gesorgt hat.« Der Mundwinkel des Erzherzogs zuckte, als der Name seines Bruders fiel, und Balthasar wünschte sich, er hätte gewusst, wie es Vladimer ging. Aber nun konnte er die Worte nicht mehr zurücknehmen. »Diesen Schattengeborenen ist es gelungen, Floria so zu verhexen, dass sie nicht einmal gemerkt hat, was ihr angetan wurde. Der Junge ist dazu nicht in der Lage. Und ich war mir die ganze Zeit über dessen bewusst, was ich tat.«
»Aber gleichzeitig außerstande, Ihre Taten zu beherrschen«, entgegnete der Erzherzog. Balthasar wandte sich an Olivede, aber der Erzherzog kam ihm zuvor: »Fräulein Olivede ist Ihre Schwester, und ich kenne sie kaum. Ihre Bemühungen, Mycenes Leben zu retten und ihm das Sterben zu erleichtern, sprechen für das Fräulein, aber ich kann mich nicht auf ihr Wort verlassen, wenn es um Sie geht.«
»Hoheit«, sagte Balthasar eindringlich, » würden Sie jemanden wie mich ausschicken, um ein Attentat zu verüben? Meine Fähigkeiten im Umgang mit einer Waffe sind lachhaft. Ich bin kein Magier. Ich mag mich mit Drogen, Giften und Anatomie auskennen, aber ich würde einen lichtgeborenen Hof betreten, an dem Attentate ein reguläres Instrument der Thronfolge sind, deshalb umgeben sich ihre Prächtigkeiten mit etlichen weltlichen und magischen Wachen. Floria musste den Talisman zu dem Prinzen tragen, was darauf schließen lässt, dass man eine derartige Magie nicht direkt einem Menschen einpflanzen kann. Deshalb wurde ich nicht derart verhext. Wenn etwas anderes, das ich bei mir tragen könnte, Ihnen Sorgen bereitet, dann lassen Sie mich bis auf die Haut durchsuchen, bevor ich gehe. Es ist für Sie von entscheidender Bedeutung, dass die Lichtgeborenen die Existenz der Schattengeborenen anerkennen, Euer Gnaden. Und ich bin der beste Beweis, den Sie haben.«
7
Fejelis
Eine Hand, die auf seiner Schulter lag und wieder zurückgerissen wurde, als er auffuhr, weckte Fejelis. Sein Kopf stieß gegen ein Kinn, sie fiel rücklings auf den Boden. »Autsch!« Tränennasse, honiggoldene Augen blinzelten ihn an.
Schließlich überwand die Vernunft den Reflex, und Fejelis erkannte seine Gastgeberin und seine Umgebung. Jovance, eine ehemalige Magierin, nun eine Bahnarbeiterin, und er befand sich in ihrem Eisenbahnerhäuschen in den Grenzlanden der Nachtgeborenen, das sie sich mit drei anderen teilte – ihrem Bruder Jade und einem jungen Paar, Midha und Sorrel. So, wie er sich fühlte, hatte er sich erst vor wenigen Stunden ausgestreckt und war auf einer Pritsche auf ihren Bodendielen eingeschlafen. Er hatte auf Tams Urteil und auf seine eigene Einschätzung der Frau vertraut – die zugegebenermaßen nicht ganz unvoreingenommen war, ein weiterer unerwarteter Aspekt der Situation. Er versuchte, seine Zunge zu einer Entschuldigung zu lösen.
»Es tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe, Eure Prächtigkeit«, sagte Jovance. »Aber wir wurden gebeten, draußen Wachen zu postieren, weil einige Züge der Nachtgeborenen durchfahren werden. Wie gut können Sie mit einem Gewehr umgehen?«
»Ist es nicht immer noch … ?« Er schaffte es gerade noch, die offensichtliche Frage zu vermeiden, natürlich war es noch Nacht. Und natürlich wusste sie das. »Das kommt auf die Größe und Geschwindigkeit des Ziels an. Alles in allem gut bis mittelmäßig.« Gegen eine Zielscheibe jedenfalls; er hatte nie Geschmack daran gefunden, Jagd auf lebendes Wild zu machen. »Jis – Orlanjis – ist ein besserer Schütze als ich.«
»Mir wäre eine Armbrust lieber«, warf sein jüngerer Bruder ein. Er kämmte sich nervös sein langes rotgoldenes Haar
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