Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
Prächtigkeit Prinz Fejelis Grauer Strom. Würde sich irgendeiner von euch ihm widersetzen?«
»Ich glaube, das würde ich«, sagte Midha, obwohl er Fejelis dabei nicht ansah, »wenn es unsere Sicherheit gewährleistete. Aber wir haben zu viele Freunde auf der anderen Seite des Sonnenuntergangs.« Jetzt sah er Fejelis doch an. »Der Alltag kann bisweilen verflucht eintönig werden, also schreiben wir viele Briefe, und die Eigner stört es nicht, wenn wir die Telegrafenleitungen benutzen, solange kein offizieller Datenverkehr herrscht. Wir haben dadurch viele Nachtgeborene ziemlich gut kennengelernt, sowohl am Bahnknoten von Stranhorne als auch entlang der Telegrafenleitung. Wir sind dabei.«
Floria
Beatrice ließ sich besonders viel Zeit dabei, ihre Kinder ins Bett zu bringen, aber sie kehrte zurück, bevor die Stunde vorüber war. Floria legte ihr noch die anderen Informationen vor, über die sie verfügte: dass Tam erfolgreich dem Bann des Tempels entflohen war, und der Tempel sich für seine Blutlinie interessieren könnte, die sie zuvor verschmäht hatten. Als die Glocken ihren Takt von der Warnung vor der Dunkelheit zur Warnung vor dem Licht wechselten, ließ sie die Frau allein, die, auf dem Sofa sitzend, ins Leere starrte. Sie hatte getan, was sie konnte. Im Foyer packte sie ihre Lichter aus und band sie sich um die Taille und auf den Rücken, sodass sie beide Hände frei hatte. Im Untergeschoss des Palastes gab es einen Dunkelraum, den Leibgardisten nutzten, um zu üben, wie man sich nur mit den Lichtern, die man bei sich trug, bewegte und kämpfte. Nichts und niemand sollte die Macht der Todesangst über einen Leibgardisten haben.
Das zumindest hatte ihr Vater gesagt, als er sie das erste Mal durch die Tür in die Dunkelheit gestoßen hatte.
Zuerst konnte sie nur die Wände in ihrer Nähe erkennen, die fahlen Schemen im Garten am Rand des fein zerstäubten Lichts, darüber hinaus aber nichts. Sie schloss die Augen und lauschte auf irgendeine Bewegung dort draußen, abgesehen von dem Wind, der sich gegen Einbruch der Dämmerung erhob. Früher hatten Balthasar und sie Horchspiele gespielt, Ohr an Ohr zu beiden Seiten der Papierwand. Mit seinem Gehör konnte sie nicht mithalten, doch während sie mit ihm gelauscht hatte, hatte sie gelernt, ihr eigenes besser einzusetzen. Da sie nichts Bedrohliches wahrnahm, öffnete sie die Augen und bewegte sich von der Tür weg. Jetzt konnte sie auf der anderen Seite des Flusses einen schwachen, linearen Schimmer ausmachen, der den Weg zum Rat kennzeichnete. Es schien keine anderen Lichter auf den dunklen Straßen zu geben. Gut. Sie ging leise zum Tor und lehnte sich dagegen. Sie konnte es sich leisten, noch ein Weilchen zu warten, um sicherzugehen, dass niemand die Sperrstunde ausnutzte, um Beatrice zu holen.
Sie wartete, bis sie sah, dass die erleuchtete Trasse, die das Gefolge der Prinzessin abgesteckt hatte, allmählich kürzer wurde; ihre Prächtigkeiten mussten sich auf dem Rückweg befinden. Sobald sie den Palast erreicht hatten, und der erleuchtete Weg abgebaut war, würde die Nacht an die Nachtgeborenen zurückgegeben werden. Wenn die Magier nach wie vor auf diesem Punkt beharrten, hatten sie Möglichkeiten, es durchzusetzen.
Sie wollte nicht länger bleiben, als sie willkommen war. So schnell sie konnte, ging sie den Weg zurück, und da er nun hügelabwärts führte, war es leichter als zuvor. Der Mond erhob sich gerade über den Hängen im Osten und verlieh dem Wasser des Flusses ein unheimliches Glitzern. Ein falsches Versprechen, da der Mond lediglich ihren Tod beleuchten würde, sollten ihre Lichter jetzt versagen. Bei dem Gedanken brach ihr kalter Schweiß aus, der ihren beschatteten Kopf frösteln ließ. Trotz ihrer Ausbildung trieb die Angst sie voran, bis sie beinahe rannte.
Sie hatte fast den Palast und seine breite Allee erreicht, die nun im Dunkeln lag, nachdem ihre Prächtigkeiten sie als Korridor benutzt hatten, als sie eine Rauferei und dann eine wütende, vertraute Stimme hörte: »Was Sie da tun, ist kriminell!«
Die Reflexionen auf den Wänden bewegten sich hektisch, als sie zum Stehen kam. Es konnte nicht sein – kein Nachtgeborener konnte so viel Licht in der Umgebung überleben.
Sie zog ihren Revolver. Wenn das nicht Balthasar war, dann gab es nur eine einzige Person, die dieser Mann sein konnte.
Sie hörte die Stimme vor Schmerz aufkeuchen. Sie kannte diesen Laut: Sie hatte ihn von der anderen Seite der Wand gehört, als Balthasar
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