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Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Titel: Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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das sich wie durch eine geistige oder körperliche Anstrengung verkrampfte. Die Knochen des Gesichts bewegten sich. Es hatte etwas zutiefst Abstoßendes, als sich die Knochen wie Muskeln unter der Haut bewegten, aber er war dem Phänomen bereits begegnet, als er auf dem Boden von Vladimers Schlafzimmer gelegen hatte. Der als Balthasars Bruder getarnte Schattengeborene hatte sich in die Gestalt eines Fremden verbogen, und seine Nägel hatten sich zu zerfetzenden Krallen in die Länge gezogen. Ishmaels Gesicht nahm die Form eines viel jüngeren, aber dennoch vertrauten Mannes an. Der junge Mann – ein Junge, nicht älter als sechzehn – zeigte das spöttische Lächeln seines älteren Bruders.
    »So fremd bin ich jetzt gar nicht mehr, nicht wahr, Onkel Balthasar?«
    Das gleiche Lächeln, die gleichen Lippen und die gleiche schmale Nase, doch die Wangenknochen traten deutlicher vor, und die Augen lagen weiter auseinander. Lysanders Züge waren vermischt mit denen eines anderen – so wie sich Balthasars Züge in seinen beiden kleinen Töchtern mit denen von Telmaine vermischten.
    Balthasar rannte auf die Tür zu. Eine ungeplante Aktion, die lediglich einem Impuls zu fliehen entsprang. Der Schattengeborene erwischte ihn bei seinem ersten Schritt und schlang einen Arm um seine Brust. Eine schwielige Hand schlug ihm unters Kinn, sodass sein Mund geschlossen wurde; Finger legten sich über Mund und Nase und schnürten ihm die Luft ab. Balthasar schlug und trat um sich, taumelte mit dem Schattengeborenen und brachte sie beide dazu, auf die Knie zu fallen. Während sie rangen, warf der Schattengeborene Balthasar mit einer Drehung unter sich zu Boden. Balthasars verletzte Wange schlug auf den harten Untergrund auf. Sein Herz hämmerte, weil er keine Luft bekam, und er krampfte, erfüllt von dem dringenden Verlangen zu atmen. Sein Kopf schlug gegen das Kinn des Schattengeborenen, der ihn hektisch wieder auf die Beine riss. Der Schattengeborene keuchte: »Ich werde dich nicht loslassen. Du wirst mir gehorchen.«
    Und Balthasar fühlte die Verhexung, die ihn umschlang, spürte, wie seine Muskeln zu Schmelzwasser wurden und sein Wille zu … überhaupt nichts. »Lieg still!«, sagte der Schattengeborene mit einer Knabenstimme, und er konnte sich nicht bewegen, der einfachsten Lebensreflexe beraubt. Er war fast bewusstlos, als der Schattengeborene seinen Griff lockerte und ihm gestattete, Luft in die Lungen zu saugen.
    »Du bist der Bruder meines Vaters«, flüsterte ihm der Junge ins Ohr. »Du bist Familie , also solltest du mich lieben. Liebe mich auf die Art, wie du deine eigenen Kinder liebst. Und gehorche mir auf die Art, wie du deinem Gott gehorchen würdest.«
    Mit hoffnungsloser Faszination beobachtete Balthasar, wie sein Geist sich in mehrere Fragmente aufteilte. Die Verhexung würde ihm nicht die Liebe eines Vaters oder den Gehorsam eines Gläubigen entlocken, aber sie würde ihm auf boshafte Weise die Hingabe eines Sklaven abnötigen. Trotzdem erkannte er in der Forderung das Flehen; ein Teil von ihm reagierte darauf mit Mitleid – dieses Ungeheuer war kaum mehr als ein Kind. Ein dritter Teil von ihm wog die Erfahrungen Vladimers und Tercelles mit dem Wissen über den Missbrauch von Magie ab, das er durch seine Schwester Olivede erlangt hatte, und dieser Teil von ihm wusste, dass er verloren war. Ein viertes Fragment war sich noch der Vernunft und des Widerstands bewusst und ging im Stillen die Möglichkeiten durch, über die die Stranhornes und Ishmael verfügten, um mit dem Feind im Haus fertigzuwerden. Ishmael musste diese Verhexung spüren. Der Sklave in ihm erstickte den Warnschrei, und dieser Teil von ihm presste die schmerzende Wange an den Boden, um sich selbst zum Verstummen zu bringen.
    »Steh auf!«, befahl der Junge mit Ishmaels Stimme. Die Vernunft sagte ihm: Prüfe seine Macht; der Sklave sagte: Gehorche. Der Konflikt machte ihn so unbeholfen wie eine nur teilweise aufgefädelte Marionette, aber der Sklave brachte ihn auf die Knie. Mit einem Ultraschallruf ohrfeigte ihn der Junge und riss ihn dabei auf die Füße. Die Vernunft sagte: Ishmaels Sonar war nie so grob. »Dort entlang«, sagte die Stimme, wieder ganz die von Ishmael. »Ich will, dass du«, er machte eine Pause, um sicherzustellen, dass der verhexte Balthasar die Botschaft verstand, »nach unten ins Erdgeschoss zum östlichen Tor gehst und es öffnest. Und versuche nicht, irgendjemanden zu warnen.«
    »Das werde ich nicht«, erwiderte

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