Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
Balthasar. Noch während er sprach, spürte er, wie er den ersten Schritt auf die Tür zu machte.
»Ganz recht.« Er feixte. »Sie wollte nicht, dass ich lerne, wie man jemanden verhext, aber ich habe es mir ganz allein beigebracht. Also, geh nach unten. Keine Sorge, sie werden dich nicht fressen. Sie werden wissen, dass du mir gehörst.«
»Bewacht«, sagte Balthasar und war außerstande, sich daran zu hindern.
»Das Tor wird nicht bewacht sein, wenn ich … « Der Teppich vor Balthasar ging in einem Flammenbogen auf. Er hatte kaum genug Zeit, die Hitze zu registrieren, bevor sie wieder erstickt wurde. »… mit meinem kleinen Ablenkungsmanöver fertig bin.«
4
Ishmael
Ishmael drehte sich um, als er jemanden an seiner Seite spürte. Laurel di Gautier stand neben ihm, eine Decke baumelte von ihren Schultern. »Man hat es mir gesagt«, sagte sie mit leiser Stimme.
Er verkniff sich den Vorschlag, dass sie sich weiter ausruhen solle. Er brauchte eine zweite Meinung für dieses Problem, und zwar von einem Verstand, der nicht von einem aufgerissenen Arm, dem Ruf und dem Miasma schattengeborenen Wetterwirkens abgelenkt war. »Wir müssen Hearne und diesen Schattengeborenen finden. Irgendwelche Ideen?«
»Du bist dir ganz sicher«, fragte sie, »was Dr. Hearne betrifft? Er ist diesen Schattengeborenen früher als wir begegnet, nicht wahr? Ich habe mir eigentlich keine Sorgen um ihn gemacht, weil ich nicht erwartet hatte, dass ein Schattengeborener über seine Fähigkeiten verfügen könnte.« Ihr Mundwinkel zuckte. »Linneas Straus würde nicht jeden einfach so in seinem Operationssaal arbeiten lassen.«
»Wenn die Schattengeborenen nicht erheblich subtiler sind, als ich vermute, handelt es sich bei dem Mann, den ich vor einer Stunde berührt habe, um denselben, den ich vor sieben Tagen kennengelernt habe.« Es sei denn, die Schattengeborenen waren in der Lage, sich neben dem Aussehen auch das Gedächtnis und das Wissen anzueignen. Dann würden einzig ihre Taten sie offenbaren. Sein Herz begann zu rasen, und sein linker Arm pulsierte im gleichen Rhythmus. Seine Finger suchten den Weg zu seinem im Holster steckenden Revolver.
»Mir ist viel zu spät etwas Unangenehmes eingefallen«, begann er. »Ich hätte schon vor langer Zeit daran denken sollen. Da gab es einen von Mycenes Männern, den ich nicht kennengelernt habe, weil ihn angeblich eine Wurst außer Gefecht gesetzt hatte. Wir wissen, dass ein Schattengeborener in der Stadt war. Vielleicht ist er mit Mycenes Zug hergekommen.«
Sie nickte. »Ich werde jemanden – zwei, um genau zu sein – das überprüfen lassen«, erwiderte sie. »Was wir jetzt wissen müssen … «
Aus dem östlichen Flur ertönte ein hektischer Alarm. Aus den verschiedenen Räumen hörte Ishmael, wie Leute »Feuer!« riefen. Sein erster Gedanke galt den Munitionsvorräten und den Männern dort. Er sagte zu Laurel: »Ich gehe.« In diesem Moment tauchte Stranhorne aus der Seitengalerie auf, seinen einarmigen Gehilfen neben sich. Im Vorbeigehen rief Ishmael ihm zu: »Ich weiß es auch nicht, aber ich werde es herausfinden.«
Der Rhythmus des Alarms verriet ihm, dass sich das Feuer im Südwesten des dritten Stocks im Herrenhauses befand; die Stranhornes hatten die Schwierigkeiten einkalkuliert, die es im hohen Gebäude ihrer Vorfahren bereitete, Geräusche zurückzuverfolgen. Er hatte das unangenehme Gefühl, zu wissen, aus welchem Raum es kam. Das Sammeln schien den Stranhornes im Blut zu liegen. In jüngeren Generationen hatte es sich in Bibliophilie ausgedrückt, aber mehrere der früheren Barone hatten Jagdtrophäen gesammelt, darunter auch die von Schattengeborenen. Stranhornes Großvater hatte die Sammlung dem nationalen Geschichtsmuseum der Stadt angeboten. Da die Schattengeborenen aber jeder konventionellen Klassifizierung trotzten, hatte das Museum die meisten dieser Ausstellungsstücke zurückgewiesen. Nun wurden sie in einer langen Galerie und in einem Lagerraum abseits des südlichen Flurs aufbewahrt.
Was sollte diese Brandstiftung bezwecken? Verfolgte jemand seine eigenen Ziele? War es Rache? Oder ein kranker Streich? Ishmael nahm an, er sollte dankbar sein, dass der Sinn für Humor und die Stärke des Eindringlings nicht so weit gingen, um sie damit erheitern zu wollen, ein Rudel Balwölfe mit ihren verrotteten Reißern oder filzpelzige Skaffern durch die Hallen streunen zu lassen.
Der von brennendem Stroh und Fell beißende Rauch sowie schattengeborene Magie brachten ihn
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