Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
übersehen, Sorge für Telmaine zu zeigen. In der Tat, wenn er jetzt darüber nachdachte, war Ishmaels Gesichtsausdruck unten im Krankenflügel falsch gewesen. So, als habe er das Leiden um ihn herum überhaupt nicht wahrgenommen. Balthasar war in genau jene Falle getappt, vor der er andere gewarnt hatte.
Er schluckte und sagte: »Dies kann unmöglich funktionieren. Der echte Ishmael hält sich im Herrenhaus auf.« Er betete, dies möge immer noch der Fall sein, aber gewiss konnte der Schattengeborene Ishmael nicht überrumpelt haben.
»Ich weiß , dass er hier ist. Verflucht soll er sein!«, erwiderte der Schattengeborene und ballte seine Hände zu Fäusten. »Aber mein Plan hat bereits funktioniert.«
»Man wird mich vermissen«, sagte Balthasar mit fester Stimme. Wenn der Schattengeborene ihn tötete und seine Gestalt annahm, würde dies nur Ishmael erkennen können – es sei denn, der Schattengeborene sah sich einem chloroformierten Patienten auf einem Operationstisch gegenüber. Der Gedanke an sich munterte ihn auf trostlose Weise auf, doch die Aussicht darauf, nur zuzusehen, wie weit der Schattengeborene in seiner Maskerade gehen würde, erregte Übelkeit.
Er achtete darauf, dass sich seine Gedanken nicht auf seinem Gesicht oder in seiner Stimme widerspiegelten. »Sie sind mit Mycenes Männern gekommen, nicht wahr? Sie waren dieser junge Mann – dieser di Banneret – , der mir einen Mantel geliehen hat. Einen Mantel, zu groß für mich – und auch für Sie.« Dieser Widerspruch hatte an ihm genagt – die Frage, warum ein Wachmann, der mit leichtem Gepäck reiste, einen Mantel tragen sollte, der ihm nicht passte. Grundgütige Imogene, wenn er sich doch nur rechtzeitig daran erinnert hätte. »Wie ist Ihr Name?«
»Mein Name? « , wiederholte der Schattengeborene, verblüfft angesichts der unerwarteten Höflichkeit.
Gut, verunsichere ihn. »Tauschen Sie unter Ihrem Volk keine Namen aus?«
Wieder dieses Lächeln, in dem eine triumphierende Bösartigkeit lag. »Doch, das tun wir, und es wird Sie freuen, meinen zu erfahren.« Als sich der Schattengeborene plötzlich bewegte, knarrten die Dielenbretter, ganz anders als bei Ishmaels fast lautlosen Schritten. Balthasar wich zurück, und der Schädelknochen seines Gegenübers warf seinen Sonar zurück, als dieser sein Gesicht dicht an Balthasars hielt.
»Wo sind meine Söhne, Balthasar Hearne?«
Ich hätte schreien sollen, dachte Balthasar, als ich noch die Chance dazu hatte. Eine Klaue balancierte auf seiner Halsschlagader, und Balthasars Geist leerte sich vor Entsetzen. »Ich weiß es nicht«, flüsterte er. »Wirklich nicht.«
»Sie haben sie weggeschickt«, hauchte ihm der Schattengeborene ins Gesicht. »Wohin?«
»Ich dachte, es sei sicherer für sie, wenn ich es nicht wüsste«, flüsterte Balthasar. »Können Sie die Wahrheit nicht aus meinen Gedanken lesen?«
Eine nicht ungefährliche, aber wichtige Frage. Er hatte geglaubt, dass der Schattengeborene, der in die Haut seines Bruders Lysander geschlüpft war und behauptet hatte, der Vater der Zwillinge zu sein, ihn lediglich zum Vergnügen gequält hatte. Aber falls dem nicht so gewesen war, und diese Schattengeborenen nicht durch Berührung die Gedanken anderer lesen konnten, und er überleben sollte, um diese Information weiterzugeben …
Die Klauenspitze strich nach unten; Balthasar umklammerte seine Kehle, aber seine Finger ertasteten nur eine brennende Schnittwunde und ein Rinnsal, aber kein hervorschießendes, sprudelndes Blut.
»Ich sage die Wahrheit«, keuchte er. »Ich wollte den beiden nichts Böses. Ebenso wenig wie ihrer Mutter.«
»Was hat sie Ihnen über mich erzählt?«
»Sie sagte, Sie seien tagsüber zu ihr gekommen und durch den Tag gereist. Sie hatte Angst, dass die Kinder nicht zur Gänze nachtgeboren sein würden. Und sie waren – sind – es nicht. Aber sie sind schöne, gesunde kleine Jungen, um deren Sicherheit ich bete.«
»Aber sie war nicht in Sicherheit«, schleuderte der Schattengeborene Balthasar ins Gesicht. »Sie ist tot. Also, warum sollte ich mich um Ihre dummen Gebete scheren?«
»Es tut mir unendlich leid um Tercelle«, entgegnete Balthasar. »Aber meine Gebete gehören nur mir selbst. Ich würde nicht wagen zu glauben, dass irgendjemand anderes ihnen einen Wert beimisst. Erst recht nicht jemand aus einem Volk, über das ich buchstäblich nichts weiß.«
»Sie denken, Sie wüssten nichts über uns?«, fragte der Schattengeborene mit einem wilden Grinsen,
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