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Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten

Titel: Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Lachen in den Stuhl fallen. »Das tat er. Kannst du dich noch an etwas anderes erinnern, an irgend etwas? Denke sorgfältig nach, Seregil. Laß nichts aus!«
    Seregil rieb sich das schmerzende Handgelenk und dachte nach. »Während das Orakel über ihn kam, nahm er das Harfen-Plektrum und summte eine Melodie, die ich als Kind geschrieben hatte. Das behielt er. Dann hielt er ein Stück Feder von Alecs Pfeil – er sprach von Alec als Kind der Erde und des Lichts, sagte, daß er nun mein Kind sei, und daß ich ihm Vater sei, und Bruder, Freund und Geliebter.«
    Er hielt inne, aber der Magier bedeutete ihm, fortzufahren.
    »Dann kam die Sache mit dem Verschlinger des Todes, und schließlich sah er mir direkt in die Augen, gab mir die Rolle zurück und sagte, ›Gehorche Nysander. Übergib das den Flammen und forsche nicht weiter.‹«
    »Guter Rat. Und hast du ihn befolgt?«
    »Ja.«
    »Das erstaunt mich. Hast du mit jemandem darüber gesprochen? Mit Alec oder Micum? Du mußt mir die Wahrheit sagen, Seregil!«
    »Zu niemandem. Ich beschwöre es, wenn du möchtest.«
    »Nein, mein lieber Junge, ich glaube dir.« Etwas Farbe war in Nysanders Gesicht zurückgekehrt. »Hör zu, ich flehe dich an. Das ist kein Spiel. Du weißt nicht, in welche Gefahr du dich begeben hast, und ich kann dir nach wie vor nichts darüber sagen – nein! Unterbrich mich nicht! Ich will keine Schwüre von dir, aber ein Versprechen bei deiner Ehre – bei deiner Liebe zu mir, wenn du willst –, daß du Geduld zeigst und mich fortfahren läßt, wie ich muß. Ich schwöre den Schwur der Magier bei meinen Händen, meinem Herz und meiner Stimme, daß ich dir eines Tages alles offenbaren werde. Du hast mein Wort. Wirst du die Sache inzwischen auf sich beruhen lassen?«
    »Das werde ich.« Noch etwas erschüttert nahm Seregil Nysanders kalte Hände in die seinen. »Bei meiner Liebe, das werde ich. Verberge das verdammte Ding!«
    »Hab Dank, mein Ungeduldiger.« Nysander drückte ihn einen Augenblick an sich, dann legte er seine Hand auf Seregils Brust. Die Narbe verschmolz unter seiner Berührung und war nicht mehr zu sehen.
    »Du mußt mich sofort wissen lassen, falls sie wieder auftaucht«, warnte er. »Und nun kümmerst du dich am besten um die Dinge, die nun getan werden müssen.«
    »Die anderen fragen sich gewiß schon, was aus uns geworden ist.«
    »Geh jetzt. Ich werde noch eine Weile hier sitzen. Du hast mir einen ordentlichen Schreck eingejagt!«
    »Ich glaube, das werde ich irgendwann verstehen können. Nun, wir werden uns auf den Weg zu den Leichenhäusern machen. Vor Sonnenaufgang sind wir zurück, Frühstück werden wir wohl nicht brauchen.«
    »Vermutlich nicht. Und, Seregil?«
    »Ja?«
    »Gib auf dich acht, und auch auf Alec. Jetzt mehr denn je.«
    »Ich bin stets vorsichtig, aber hab Dank für die Warnung.« Seregil hielt inne, seine Hand lag schon am Türriegel. »Du bist der Wächter, nicht wahr? Was immer das bedeuten mag – ich frage nicht –, aber das Orakel sprach von dir, nicht wahr?«
    Zu seiner großen Überraschung nickte Nysander. »Ja, ich bin der Wächter.«
    »Danke.« Mit einem letzten nachdenklichen Blick verließ Seregil den Raum, er konnte nicht ahnen, daß für einen Augenblick lang sein teurer Freund sein Vollstrecker gewesen war.

 
33
Die Totengräber-Gilde
     
     
    Die Totengräber-Gilde beseitigte in Rhíminee die Toten, die keiner haben wollte. Da sie die Straßen und Abwasserkanäle nach Abfall absuchten, waren die Gruppen der Totengräber-Gilde oft die ersten, die die Ermordeten, die Armen und Ausgestoßenen und die Verlassenen fanden.
    Es gab drei Leichenhäuser in der Stadt: zwei in der Oberstadt und eines nahe am Nordwall. Für Seregil und Micum war ein Besuch dort nichts Neues. Oft war der Weg dorthin die letzte Möglichkeit, Informationen zu sammeln. Für Alec allerdings stellte es sich als rauhe neue Erfahrung heraus.
    Sie begannen am nächstgelegenen, am Nordwall. Alec hatte das Haus kaum betreten, als er wieder hinausstolperte und sich die Hand auf den Mund preßte. Er würgte und mußte sich an einem Straßenpfeiler festhalten. Sein kurzer Blick in das schlichte Innere des Hauses hatte ihm die Toten gezeigt, die auf dem Rücken lagen, aufgereiht wie die Bündel gebrauchter Kleidung auf dem Marktplatz. Selbst an einem kalten Wintertag wie diesem war der Gestank abstoßend, vor allem für eine empfindliche dalnasische Nase.
    Er stellte fest, daß sich Seregil zu ihm gesellt hatte.
    »Man hätte –

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