Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
erwiderte Thero. »Ich hingegen werde wohl ziemlich heiser sein, wenn ich meinen Körper von dir zurückbekomme.«
Seregil wandte sich Alec zu. »Du hattest recht. Der Klang der Stimme ist der gleiche, aber das Sprachmuster macht den Unterschied aus. Ein interessantes Phänomen!«
»Das zu untersuchen wir nun nicht die Zeit haben«, warf Nysander ein. »Ihr müßt beide wieder in den eigenen Körper zurück.«
Sie hielten sich mit dem größten Eifer, den sie wohl je dafür aufbringen würden, an den Händen, und standen bewegungslos, während Nysander den Zauber sprach.
Die Magie war nicht spürbar, aber sie wirkte unmittelbar. Seregils Körper wurde, kaum da der Wandel vollzogen war, grünlich bleich.
Er ließ Thero los, stolperte auf einen der Sessel am Kamin zu und ließ sich hineinsinken und den Kopf zwischen den Beinen ruhen. Alec holte eine Schüssel und eilte an seine Seite.
Auch Thero klappte vornüber und verzog das Gesicht, während er sein Bein umklammerte.
»Was hast du angestellt?« verlangte er zu wissen und zog die Robe hoch, um sich sein geschwollenes Knie zu betrachten.
»Worauf spielst du an? Oh, das, ja, da ging es hinunter«, es gelang Seregil, während er noch immer keuchte, ein kurzes Lachen.
Dann streckte er seine langen Finger, rieb sich über die glatten Wangen und sein Haar. »Bei den Vieren, es ist gut, wieder im eigenen Körper zu stecken! Ich hatte sogar ein Bad und saubere Kleidung. Ich stehe in deiner Schuld, Thero. Hoffentlich hast du das Einseifen nicht allzu sehr genossen.«
»Es ist nicht allzuviel da, worauf du stolz sein könntest«, konterte Thero und setzte sein Mahl fort.
Immer noch grinsend zog er am Band seines Hemdes. »Ich weiß nicht, warum du alles so eng tragen mußt …«
Nur Alec bemerkte den Schatten, der kurz Seregils Gesicht überzog. Ehe der Junge jedoch fragen konnte, was los sei, warf Seregil ihm einen Blick zu, der ihn diskret aufforderte zu schweigen.
»Was hatten die beiden Diener zu sagen?« fragte Micum, der ungeduldig auf Einzelheiten hoffte.
»Sie waren nicht da«, erwiderte Seregil und zog das Band wieder zu. Abermals fuhren seine Finger über die rauhe Oberfläche der Narbe, die wieder aufgetaucht war. Die Berührung ließ ihn die Haare zu Berge stehen.
»Das ist ja eine schöne Bescherung«, meinte Micum düster. »Was habt ihr von den anderen erfahren?«
»In beiden Haushalten hörten wir dieselbe Geschichte«, sagte Nysander. »Der Diener Marsin und Bariens Mädchen, Callia, waren seit geraumer Zeit ein Paar. Die anderen Diener vermuten, daß sie gemeinsam geflohen sind.«
Micum hob skeptisch eine Braue. »Das wäre wohl ein zu großer Zufall. Was ist mit der Ehefrau?«
»Noch weniger hilfreich«, sagte Seregil. »Lady Althia ist ein albernes, harmloses Mädchen, die auch nach einem Jahr Ehe noch zufrieden damit ist, das Spielzeug ihres Mannes zu sein. Von seinen Geschäften weiß sie nur soviel, daß es ihr schöne Kleider, Pferde und Juwelen sichert.«
»Dann sind wir wieder am Anfang!« stöhnte Alec. »Marsin, Teukros und das Mädchen waren unsere einzigen Anhaltspunkte. Und alle drei sind verschwunden.«
»Dann sollten wir als nächstes die Leichenhäuser aufsuchen«, schlug Seregil vor. »Wenn einer von ihnen in der Stadt ermordet wurde, haben die Totengräber die Leiche inzwischen gewiß gefunden. Das müssen Alec, Micum und ich tun, denn nur wir wissen, wie sie aussehen. Apropos Leichen, was wird mit Barien geschehen?«
Nysander seufzte. »Nach dem Gesetz wird er ausgepeitscht, aufgeschlitzt und am Hügel der Verräter gehenkt, dann kommt er ins öffentliche Grab der Stadt.«
Micum schüttelte den Kopf. »So zu enden, nach allem Guten, das er über all die Jahre hinweg für die Stadt getan hat. Ihm habe ich Watermead zu verdanken – er schlug es der Königin vor.«
»Zumindest ist er schon tot«, warf Seregil schaudernd ein, ihm war nur zu bewußt, daß ihm vor einigen Tagen noch dasselbe Schicksal ereilt hätte. Im Augenblick jedoch gab es Wichtigeres. »Ehe wir alle getrennte Wege gehen, würde ich gerne unter vier Augen mit dir sprechen, Nysander.«
Seregil ging voraus über den Korridor zur Bibliothek. Er schloß die Tür, als Nysander eingetreten war, dann öffnete er sein Hemd und zeigte Nysander seine Brust. Das runde Mal von Mardus’ hölzerner Scheibe zeichnete sich rötlich gegen die helle Haut ab.
»Der Austauschzauber muß den Verhüllungszauber beeinträchtigt haben«, meinte Nysander. »Allerdings ist
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