Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
eine Gefühlsregung zu zeigen. »Euch wird Hochverrat vorgeworfen.«
Kassarie verbeugte sich elegant. »Ihr seid eindeutig im Vorteil, Eure Hoheit, ich weiche der Gewalt, nicht Eurem unrechtmäßigen Titel.«
»Wie Ihr wünscht«, erwiderte Klia und trat auf sie zu.
»Ihr werdet hier alles finden, was ihr zu finden hofft.« Kassarie vollführte eine Geste, die den ganzen Raum einschloß. »Vielleicht wünscht Ihr, wie auch Lord Seregil, Euren gemeinsamen Vorfahr gegenüberzutreten.«
Sie trat zur Seite und hob effektheischend die Lampe. »Erlaubt mir, Euch Lord Corruth í Glamien Yanari Meringil Bôkthersa vorzustellen. Eure Halunken hier haben den Leichnam schon geplündert, aber sie werden gewiß eingestehen, daß ich die Wahrheit spreche.«
Zu spät erkannte Seregil, daß er Klia nicht von ihrem Fund berichtet hatte. Sie stieß einen leisen Schrei aus und trat einen Schritt vor. Micum und die anderen waren ebenso entsetzt. Alle Augen waren auf das Unfaßbare gerichtet, während Klia sich vorbeugte, um das verwitterte Gesicht zu betrachten.
Alle Augen, außer Alecs.
Er hatte in den vergangenen Wochen für seinen Geschmack genug Tote gesehen. Daher mied er den Blick auf den trockenen Leichnam auf dem Stuhl und behielt statt dessen Kassarie im Auge. Somit war er der einzige, der das zufriedene Grinsen sah, das ihre Züge verzerrte, als sie die Lampe noch höher hielt.
Der Geruch. Er war zu stark, er konnte nicht nur von den Lampen kommen.
Es war keine Zeit mehr, Klia zu warnen. Er stieß Seregil beiseite und hechtete in den Raum hinein, als Kassarie die Lampe vor Klias Füßen zerbrach. Der Raum war mit Öl getränkt und mit einer weiteren leicht entflammbaren Substanz.
Sengende Hitze brannte ihm die Luft aus den Lungen und versengte seine Haut. Er griff zu, erwischte Klias Arm und riß sie mit aller Kraft nach hinten. Dann fühlte er starke Arme nach ihm greifen, die ihn und Klia in die Kühle des Korridors zerrten.
»Runter mit ihnen!« brüllte Micum.
Alec wurde auf den Boden gedrückt und erstickte fast unter Mänteln, die auf ihn geworfen wurden. Hände klopften ihm über den Rücken. Von irgendwoher hörte er Seregil fluchen.
Als sie schließlich die Mäntel wieder herunterzogen sah er, daß er am Fuß der Treppe lag. Hitze schlug ihm aus der Kammer am anderen Ende entgegen. Züngelnde Flammen ließen keinen Blick hinein zu. Von Kassarie war nichts zu sehen.
Klia lag neben ihm, ihr wunderschönes, herzförmiges Gesicht war rußgeschwärzt und ihr Zopf halb versengt.
»Du hast mir das Leben gerettet«, krächzte sie und griff nach seiner Hand. Ihr eigener Handrücken war mit Brandblasen bedeckt, wo das Öl sie getroffen hatte.
»Während wir alle unseren Verstand vergessen hatten«, knurrte Myrhini wütend und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, als sie neben Klia kniete.
Alec schüttelte halb benommen den Kopf. »Dieser Geruch, er kam mir bekannt vor – aber ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, was es war.«
»Schwefelöl, denke ich«, meinte Myrhini.
Die Haut auf Alecs Rücken und Nacken begann plötzlich zu schmerzen, und er verzog das Gesicht.
»Gib mir das!« Seregil zog Alec den geborgten Waffenrock über den Kopf. Das Kleidungsstück wies einige Brandlöcher auf. »Du hast in Flammen gestanden! Auch etwas Haar ist verbrannt.«
Alec fuhr sich mit der Hand über den Hinterkopf; was er berührte, fühlte sich rauh an, und seine Handfläche war schwarz von der Berührung.
»Und wir gaben uns solche Mühe, dir ein vorzeigbares Aussehen zu geben«, klagte Seregil schmunzelnd. »Bei Bilairy, du riechst wie ein versengter Hund!«
41
Narben
Die Sonne erhob sich über die Baumwipfel im Osten, als Seregil, Alec und Micum sich mit Nysander auf den Weg in die Stadt machten. Thero war zurückgeblieben, um bei der Suche nach den verlorenen Dokumenten und Waffen behilflich zu sein.
»Ich dachte, daß uns das Glück nun doch verlassen würde«, gab Seregil zu, als er zwischen Nysander und Alec ritt.
»Fast hättest du recht behalten!« gab Micum zurück. »Nysander wußte nicht einmal, daß ihr fort wart, ehe ich ihn besuchte.«
»Und als ich erkannte, daß euch Gefahr drohte, konnte ich aus der großen Entfernung nichts für euch tun«, fügte Nysander hinzu. »Ehe wir ankamen, wußte ich nicht, ob ihr noch am Leben wart, bis, und selbst dann fiel es mir schwer, euch ausfindig zu machen, bis ihr schließlich auf dem Dach gestellt wurdet. Und zu diesem Zeitpunkt
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