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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Straßen von Keston die Grundlagen einer Einbrecherkarriere gelehrt hatte. Diese Tat hatte ihn nicht mit solchen Zweifeln zurückgelassen. Seine Mäzenin war zufrieden mit ihm gewesen und hatte ihm gesagt, sie könnte einen erstklassigen Schnüffler aus ihm machen, doch auch unter ihrer fragwürdigen Anleitung hatte er nie getötet, wenn er nicht dazu gezwungen war.
    Später, als er einen unbeholfenen Räuber getötet hatte, um einen jungen Kameraden zu beschützen, den er gerade erst kennen gelernt hatte, ein junger Bursche namens Micum Cavish, hatte sein Freund noch immer geglaubt, es sei für ihn das erste Mal gewesen, und ihn überredet, nach alter Soldatensitte das Blut an der Klinge zu kosten.
    »Wenn du das erste Mal tötest, musst du von dem Blut des Toten trinken, damit weder sein Geist noch irgendein anderer dich je verfolgen kann«, hatte ihm Micum erklärt, so voller Ernst, voller guter Absichten. Seregil hatte es einfach nicht über sich gebracht, ihm zu gestehen, dass es dafür längst zu spät war oder dass ihn nur ein einziger Toter verfolgte, einer, der ihn so sehr schmerzte, dass es genug für alle war.
    Das Aufblitzen eines Lichtes hinter der nächsten Ecke riss ihn aus seinen Gedanken. Ohne auf den Weg zu achten, war er herumgeschlendert, so hatte er zumindest geglaubt. Nun zerrte ein ergrimmtes Lächeln an seinen Mundwinkeln, als er erkannte, dass ihn seine ruhelosen Füße tief in die Tupa der Haman getragen hatten.
    Das Licht stammte von einer großen Kohlenpfanne, und in seinem Schein sah er eine Gruppe Männer, die sich dort versammelt hatten. Sie waren jung, und sie tranken. Selbst aus der Entfernung erkannte er einige derjenigen, die sich im Ratssaal aufgehalten hatten, Naziens Verwandtschaft eingeschlossen.
    Wenn er nun kehrtmachte, würden sie nie erfahren, dass er hier gewesen war.
    Aber er kehrte nicht um, verlangsamte nicht einmal seine Schritte.
    Nimm, was der Lichtträger dir schenkt …
    Mit einem Schauder perverser Erregung drückte er die Schultern durch, strich sich das schwarze Haar zurück und ging weiter. Sein Weg führte ihn nun so nahe an dem Feuer vorbei, dass sein Profil im Flammenschein deutlich zu sehen war. Er sagte nichts, grüßte nicht, provozierte nicht, dennoch konnte er das verhaltene, verrückte Lächeln nicht unterdrücken, das sich auf seine Lippen stahl, als sich ein halbes Dutzend Augenpaare weitete, um ihn sogleich voller Hass zu verfolgen. Die Spannung in Seregils Brustkorb kehrte wieder, als er die brennenden Blicke zwischen seinen Schulterblättern fühlte.
    Der unausweichliche Angriff erfolgte sofort, aber sonderbar geräuschlos. Da war das erwartete Rascheln von Füßen, dann Hände, die ihn in der Dunkelheit ergriffen. Sie schleuderten ihn gegen eine Mauer, dann zu Boden. Seregil legte instinktiv die Arme schützend über sein Gesicht, machte jedoch keinerlei Anstalten, sich zu verteidigen. Stiefel und Fäuste trafen ihn wieder und wieder, prasselten von allen Seiten auf ihn ein, bohrten sich in seinen Bauch, in seine Leisten und die noch immer empfindliche Pfeilwunde an seiner Schulter. Er wurde hochgezerrt, von einem zum anderen geschubst, mit Fäusten bearbeitet, bespuckt, zu Boden geschleudert und wieder getreten. Die Finsternis vor seinen Augen lichtete sich für einen winzigen Augenblick in einem Aufblitzen weißen Lichts, als ihn ein Fuß am Hinterkopf traf.
    Es mochte Minuten gedauert haben oder Stunden. Der Schmerz war grausam, unberechenbar, köstlich.
    Zufriedenstellend.
    »Gästemörder!«, zischten sie, während sie auf ihn einschlugen. »Verbannter!«, »Namenloser!«
    Sonderbar, wie süß diese Beschimpfungen klangen, wenn sie von den Stimmen der Haman getragen wurden, so dachte er, während er beinahe verträumt am Rande der Bewusstlosigkeit einhertrieb. Er hätte ihnen gedankt, hätte er genug Luft in seine Lungen pumpen können, um zu sprechen, aber sie waren offenbar fest entschlossen, das zu verhindern.
    Wo bleiben die Messer?
    Die Schläge hörten so abrupt auf, wie sie begonnen hatten. Trotzdem musste er nicht um sich blicken, um zu wissen, dass sie immer noch um ihn herumstanden. Ein leiser Befehl erklang, doch wegen dem Klingeln in seinen Ohren konnte er die Worte nicht verstehen.
    Dann klatschte heiße Flüssigkeit in sein Gesicht, über seine Beine und schließlich über seinen Brustkorb.
    Ah, dachte er, während er die Pisse von seinen Augen blinzelte. Gut.
    Nach einigen letzten, verächtlichen Tritten ließen sie ihn allein.

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