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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
Autoren: Lynn Flewelling
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Berührung durch diese starken, geschickten Finger.
    »Und wirst du gehen?«, fragte Alec erneut.
    »Ja.« Er hatte die Antwort auf diese Frage gekannt, seit Beka ihm von der Reise erzählt hatte. Während er im Geist die Frage formulierte, die er kaum zu stellen wagte, überquerte Seregil das kurze Stück Boden, das zwischen ihnen lag und streckte die Hand aus. »Wirst du mit mir kommen? Es mag nicht sehr erfreulich zugehen für den Talímenios eines Verbannten. Immerhin habe ich dort nicht einmal mehr einen anständigen Namen.«
    Alec ergriff die ausgestreckte Hand und drückte sie, bis es beinahe schmerzte. »Erinnerst du dich, was passiert ist, als du das letzte Mal versucht hast, ohne mich wegzulaufen?«
    Seregils erleichtertes Auflachen überraschte sie beide. »Erinnern? Ich glaube, ich habe immer noch ein paar Blutergüsse!« Er verstärkte seinen eigenen Griff und zog Alec von seinem Stuhl auf das Bett. »Komm, ich zeige sie dir.«
     
    Seregils plötzliches Liebesbedürfnis überraschte Alec weniger als die Wildheit, die nun folgte. Zorn lauerte gleich unter der heftigen Leidenschaft seines Liebhabers, Zorn, der nicht ihn betraf, der aber dennoch eine Reihe kleinerer blauer Flecke auf seiner Haut hinterließ, die er am Morgen würde entdecken können.
    Alec brauchte das besondere Einfühlungsvermögen der Talímenios-Verbindung nicht, um zu wissen, dass Seregil versuchte, die Erinnerungen an jenen ersten verhassten Liebhaber mit der Glut seiner Leidenschaft zu verbrennen, und dass er damit keinen Erfolg hatte.
    Später, als er schwitzend und außer Atem in Seregils Armen lag, lauschte Alec, wie der heftige Atem des anderen Mannes sich langsam beruhigte, und zum ersten Mal fühlte er sich leer und unbehaglich statt erfüllt und sicher. Eine tiefschwarze Kluft der Schuld stand zwischen ihnen, sogar jetzt, da sie so dicht beieinander lagen. Das ängstigte ihn, aber er zog sich dennoch nicht zurück.
    »Was ist aus Ilar geworden?«, flüsterte er schließlich.
    »Ich weiß es nicht.«
    Sanft berührte Alec Seregils Wange in der Erwartung, Tränen zu finden. Sie war trocken. »Einmal, kurz nachdem wir uns begegnet sind, hat Micum mir erzählt, dass du einen Verrat niemals vergeben würdest«, sagte er leise. »Später hat mir Nysander das Gleiche gesagt. Sie beide glaubten, es habe etwas mit dem zu tun, was damals in Aurënen passiert ist. Es war wegen ihm, nicht wahr? Wegen Ilar?«
    Seregil ergriff Alecs Hand und presste die Handfläche an seine Lippen, ehe er sie an seine nackte Brust führte, damit er den schnellen, schweren Schlag seines Herzens spüren konnte. Als er schließlich sprach, war seine Stimme erstickt vor Kummer.
    »Jemandem seine Liebe und sein Vertrauen zu schenken – dafür hasse ich ihn! Dafür, dass er mir so entsetzlich früh die Unschuld geraubt hat. Verzogen, dumm und eigensinnig wie ich war, hatte ich doch nie zuvor irgendjemanden gehasst. Aber er hat mich auch manches gelehrt: was Liebe und Vertrauen wirklich bedeuten, und dass es keine Garantien dafür geben kann.«
    »Ich schätze, wenn ich ihn jemals treffen sollte, müsste ich ihm dafür beinahe danken …«, murmelte Alec, verstummte aber sofort, als sich Seregils Hand um die seine spannte.
    »Dafür hättest du keine Zeit; vorher würde ich ihm die Kehle aufschlitzen.«

 
4
Wieder unterwegs
     
     
    Am nächsten Morgen entdeckte Seregil Beka allein neben dem Pferch. »Wann wird deine Truppe nach Aurënen aufbrechen?«
    »Bald.« Sie wandte sich um und taxierte ihn, und, verdammt, sie sah aus wie ihr Vater. »Soll das heißen, du wirst uns begleiten?«
    »Ja.«
    »Der Flamme sei Dank! Wir treffen Kommandantin Klia am Fünfzehnten des Monats in einem kleinen Fischerdorf in der Nähe des Cirna-Kanals.«
    »Welche Reiseroute nach Aurënen hat sie gewählt?«
    »Ich weiß es nicht. Je weniger Informationen sie preisgibt, desto weniger können die plenimaranischen Spione herausfinden.«
    »Sehr weise.«
    »Wenn wir uns beeilen, können wir in drei Tagen in Ardinlee sein. Wie schnell kannst du abreisen?«
    »Hmmm, ich weiß nicht recht.« Er sah sich um, als wolle er sich einen Überblick über ein riesiges Anwesen verschaffen. »Sind ein paar Stunden schnell genug?«
    »Wenn das die kürzestmögliche Frist ist.«
    Als er zusah, wie sie energisch davonschritt, kam er zu der Einsicht, dass sie auch viel von ihrer Mutter geerbt hatte.
     
    Alec schob den Dolch mit dem schwarzen Heft in seinen Stiefel und richtete seinen Schwertgurt
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