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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
Autoren: Lynn Flewelling
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unerbittlich.
    Seregil setzte sich und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Natürlich will ich zurück nach Aurënen, aber nicht auf diese Art. Noch ist nichts vergeben.«
    »Sag mir alles, Seregil. Dieses Mal will ich alles wissen.«
    Alles? Niemals, Talí.
    Wieder stiegen die Erinnerungen hoch wie eine schmutzige Springflut, die über die Ufer trat. Was sollte er zuerst aus dem Schutthaufen seiner traurigen Vergangenheit hervorziehen?
    »Mein Vater, Korit í Solun, war ein sehr mächtiger Mann, eines der einflussreichsten Mitglieder des Iia’sidra.« Dumpfer Schmerz erfasste sein Herz, als er sich an das Gesicht seines Vaters erinnerte, so hager und streng, Augen, kalt wie die See. Doch vor dem Tod seiner Frau waren sie nicht so gewesen, das zumindest hatte man Seregil erzählt.
    »Mein Clan, die Bôkthersa, ist eine der ältesten und respektabelsten Sippen. Unsere Fai’thast liegt an der Westküste, nahe dem Stammesgebiet der Zengati.«
    »›Feytas‹?«
    »Fai’thast. Das bedeutet Clangebiet, Heimat. Sie ist das Territorium eines Clans.« Seregil buchstabierte das Wort für Alec, ein beruhigend vertrautes Ritual. Sie hatten das schon so oft getan, dass ihnen die Unterbrechung kaum mehr auffiel. Erst später erkannte er, dass unter all den Worten seiner Muttersprache, die er ihm in den letzten zwei Jahren übersetzt hatte, dieses nicht ein einziges Mal vorgekommen war.
    »Die Clans im Westen hatten öfter mit den Zengati zu tun – Überfälle aus dem Gebirge, Piraterie und so weiter«, fuhr er fort. »Aber auch die Zengati leben in Clans, und manche Sippen sind friedlicher als andere. Die Bôkthersa und einige andere Clans trieben über Jahre hinweg Handel mit ihnen; mein Großvater, Solun í Meringil, wollte sogar noch weiter gehen und zwischen beiden Ländern einen Pakt schließen. Er gab diesen Traum an meinen Vater weiter, der den Iia’sidra schließlich überzeugte, eine zengatische Delegation zu empfangen, um die verschiedenen Möglichkeiten zu besprechen. Die Versammlung fand im Sommer meines einundzwanzigsten Lebensjahres statt; nach aurënfaiischer Rechnung war ich damit noch jünger als du es jetzt bist.«
    Alec nickte. Es gab keine exakte Entsprechung menschlicher und aurënfaiischer Lebensjahre. Manche Stadien des Lebens dauerten länger als andere, manche kürzer. Er selbst, der nur zur Hälfte ein Aurënfaie war, reifte schneller als unter Aurënfaie üblich, trotzdem würde er vermutlich ebenso lange leben.
    »Viele Aurënfaie waren gegen den Pakt«, fuhr Seregil fort. »Seit undenklichen Zeiten hatten die Zengati unsere Küsten überfallen – Sklaven genommen, Städte niedergebrannt. In jedem Haus an der Küste gibt es ein paar Siegestrophäen. Es ist ein Beweis für den Einfluss meines Clans, dass mein Vater mit seinem Plan überhaupt so weit kommen konnte.«
    »Die Versammlung fand an einem Fluss an der westlichen Grenze unseres Fai’thast statt, und mindestens die Hälfte der Clans hatte sich lediglich eingefunden, um dafür zu sorgen, dass das Vorhaben fehlschlägt. Für einige war der Hass auf die Zengati ausschlaggebend, aber es gab andere, wie die Virésse und die Ra’basi, denen die Aussicht, dass die Clans des Westens eine Allianz mit den Zengati eingehen sollten, ganz einfach nicht gefiel. Im Nachhinein denke ich, ihre Sorge war durchaus gerechtfertigt.«
    »Du erinnerst dich, dass ich sagte, die Aurënfaie hätten weder König noch Königin? Jeder Clan wird von einem Khirnari regiert …«
    »›Und die Khirnari der elf großen Clans bilden gemeinsam den Iia’sidra-Rat, der über Allianzen befindet und über Missstände und Fehden richtet‹«, beendete Alec den Satz, wobei er die Worte herunterrasselte, als hätte er sie auswendig gelernt.
    Seregil lächelte; man musste Alec nur selten etwas zweimal erzählen, ganz besonders wenn es um Aurënen ging. »Mein Vater war der Khirnari der Bôkthersa, so wie es jetzt meine Schwester ist. Die Khirnari aller großen Clans und viele weitere aus den weniger mächtigen Sippschaften trafen sich mit den Zengati. Die Zelte bedeckten eine weite Fläche, eine ganze Stadt wuchs wie die Pilze im Sommer aus dem Boden.« Er lächelte wehmütig, während er an seine Kindertage zurückdachte. »Ganze Familien kamen zu dem Treffen, als würde es sich um ein großes Fest handeln. Die Erwachsenen waren gereizt und brummten sich den ganzen Tag gegenseitig an, aber für den Rest von uns war es ein großer Spaß.«
    Er erhob sich, um Wein
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