Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
ebenfalls und schnaubten nervös.
»Zurück!«, zischte Alec den anderen zu, wohl wissend, dass ihn hier kein Bash’wai erwartete.
»Was ist los?«, fragte Beka hinter ihm.
Die Pferde scheuten. Dann zerrten sie verzweifelt an ihren Zügeln, als ein gewaltiger Bär zwischen den Erlen hervorbrach und quer durch den Bach auf Alec zuwatschelte.
»Rührt euch nicht«, warnte er seine Freunde. Schon beschritten seine Gedanken die altbekannten Pfade. Es war eine Bärin, die nach dem Werfen ihrer Jungen im Lauf des Winters abgemagert war. Sollten sie irgendwie zwischen sie und ihren Nachwuchs geraten sein, so wäre ihre Reise schon jetzt zu Ende.
Wenige Fuß entfernt blieb die Bärin stehen und beobachtete ihn, wobei ihr gewaltiger Kopf stetig hin- und herpendelte. Seregil und Beka saßen immer noch im Sattel und waren folglich imstande zu fliehen. Ohne die Bärin aus den Augen zu lassen, sah sich Alec nach dem nächsten Baum um, auf den er klettern konnte.
Er war zu weit entfernt.
Die Bärin brummte leise und trampelte weiter auf ihn zu, um an seinem Gesicht zu schnüffeln. Alec würgte, als ihn ihr heißer, stinkender Atem traf. Dann wurde er zurückgestoßen. Auf dem Rücken liegend blickte er zu der Silhouette der Bärin auf, deren Augen glühten wie geschmolzenes Gold.
»Du solltest lieber nicht verweilen, kleiner Bruder«, sagte sie zu ihm. »Ein Lächeln kann Messer verbergen.«
Mit einem letzten, tiefen Brummen wirbelte die Bärin um die eigene Achse und tapste plätschernd flussaufwärts davon. Alec blieb, viel zu verblüfft, sich zu rühren, an Ort und Stelle liegen.
»Bei der Flamme, ich habe noch nie gesehen, dass ein Bär sich so verhält«, stellte Beka fest.
»Habt ihr sie gehört?«, fragte er schwach.
»Nicht, bis du uns gewarnt hast«, erwiderte sie. »Er kam aus dem Nichts.«
»Nein, habt ihr gehört, was sie gesagt hat?«, fragte er, während er zitternd auf die Beine kam.
»Sie hat mit dir gesprochen?«, erkundigte sich Seregil aufgeregt. »Beim strahlenden Licht, Alec, das war ein Khtir’bai. Was hat sie zu dir gesagt?«
Alec bückte sich und legte eine Hand locker auf einen Abdruck der klauenbewehrten Pfoten. Die Bärin war keine Illusion gewesen. »Etwas, was der Rhui’auros dir erzählt hat«, entgegnete er vollkommen verblüfft. »Ein Lächeln kann Messer verbergen.«
»Zumindest auf ihre Geheimnistuerei kann man sich voll und ganz verlassen«, grollte Beka.
»Ich nehme an, wir werden noch früh genug herausfinden, was das zu bedeuten hat«, stellte Seregil fest.
Nebel setzte ein, als sie ihren Weg fortsetzten, sammelte sich zwischen den dunklen Ästen und troff als eisiger Niederschlag von den immergrünen Nadeln herab. Spinnweben überzogen die Engstellen des Weges und bald waren sie alle von klebrigen, feuchten Fäden bedeckt.
Kurz nach Mitternacht erreichten sie ein recht ansehnliches Dorf in der Nähe eines kleinen Sees.
»Hier liegt die erste Pferdestation, die die Meldereiter benutzen. In einem Stall gleich jenseits der Stadt«, flüsterte Beka. »Sollen wir eine Rast riskieren oder einfach weiterreiten?«
Seregil schlug geistesabwesend nach einer Spinne auf seinem Bein. »Wir brauchen frische Pferde. Zu dieser Stunde und mit unserer Verkleidung sollte das Risiko nicht allzu groß sein. Ich bezweifle, dass es überhaupt Wachposten gibt.«
Gleich hinter den letzten kleinen Häusern entdeckten sie einen baufälligen Stall, dessen Zedernholzdach unter einer dicken Moosschicht lag. Drinnen fanden sie drei kräftige Pferde. Im Licht von Seregils Lichtstein stiegen sie ab und legten den Tieren ihre Sättel an.
Als sie aber die Pferde hinausführten, tauchte aus einem Heuhaufen auf der Rückseite des Stalles ein verschlafenes junges Gesicht auf. Rasch griff Beka nach Seregils Lichtstein und winkte den beiden Männern zu, hinauszugehen. Dann, das Licht hoch erhoben, so dass ihr Gesicht sich im Schatten ihres Helmes verlor, wandte sie sich dem Jungen zu. Er betrachtete sie mit schläfrigem Interesse; kein Wächter, nur ein Knabe, der hier geblieben war, um sich um die Pferde zu kümmern.
Er murmelte etwas, und sie erkannte das Wort ›Meldereiter‹.
»Ja. Schlaf weiter«, entgegnete Beka in gebrochenem Aurënfaiisch. Sie beherrschte die Sprache inzwischen besser, dennoch verstand sie immer noch weit mehr, als sie zu sagen imstande war. »Unsere lassen wir da.«
»Bist du das, Vanos?«, fragte der Junge, wobei er sich den Hals verrenkte, um einen Blick auf Alec zu
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