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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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er dort war. Und vorher, im Garten, hatte er so intensiv und effektiv gesucht. An jenem Tag war ihm dies erfreulich und erstaunlich erschienen. Nun erfüllte ihn die Erinnerung mit Unbehagen.
     
    Der eisige Kuss des regenschweren Windes weckte Thero. Vor dem Colos plätscherte ein frühmorgendlicher Schauer über die Dachziegel, und von der Straße hallten Stimmen zu ihm herauf. Als er Seregils Namen hörte, sandte er einen Beobachtungszauber hinab und erkannte, dass Mirn und Steb mit einem männlichen Akhendi sprachen, den er nicht kannte.
    »Ich habe Lord Seregil heute Morgen noch nicht gesehen«, sagte Mirn gerade. »Aber ich werde ihm sagen, dass Lord Rhaish nach ihm verlangt, sobald er herunterkommt.«
    »Es ist dringend«, beharrte der Akhendi.
    Es ist also so weit, dachte Thero. Rasch eilte er hinab zu Seregils verlassenem Gemach und verriegelte die Tür von innen. Kaum war er fertig, wurde er auch schon gestört. Der Riegel hob sich und schlug gegen den Schließmechanismus.
    »Seregil, du wirst unten erwartet.« Es war Kheeta – unglückseligerweise. Einen Diener hätte er mit einer kurzen Antwort fortschicken können. »Bist du wach? Seregil? Alec?«
    Schnell ließ Thero seine Hand über das Bett gleiten, um ihm eine Erinnerung abzuringen, irgendeine Erinnerung. Das Bett begann rhythmisch zu knarren, gleichzeitig ertönte ein kehliges, maskulines Stöhnen. Wenig erfreut trat der Zauberer einen Schritt zurück. Er hatte mit Schnarchgeräuschen gerechnet. Andererseits hätte er es wohl besser wissen müssen.
    Immerhin erzielten die Geräusche den gewünschten Effekt. Auf der anderen Seite der Tür trat ein bedeutungsschweres Schweigen ein, gefolgt von Kheetas Schritten, als er sich taktvoll zurückzog.
    Ohne weitere Zeit zu vergeuden, zog Thero die Wachskugeln hervor, die er während der Nacht vorbereitet hatte, und knetete sie zu einer menschlichen Form. Dann legte er sie unter den Rand der Decke. Während er gleich darauf mit seinem Zauberstab Muster in die Luft zeichnete, summte Thero tonlos vor sich hin und erinnerte sich ihrer Gesichter, Gestalten, der Form ihrer Glieder, ihrer Hände und Füße. Gleichzeitig wuchs das Wachs an, nahm immer mehr Raum unter der Decke ein. Als er schließlich fertig war, waren die beiden Wachskugeln Alec und Seregil täuschend ähnlich, doch nach wie vor steif und ausdruckslos. Thero legte einen Finger auf die kalte Braue des falschen Seregil und blies Luft in seine Nasenlöcher. Farbe drang in seine fahlen Wangen, und die Züge nahmen den entspannten Ausdruck eines Schlafenden an. Mit Alecs Doppelgänger verfuhr er in gleicher Weise, ehe er beide in die Haltung Schlafender brachte. Dann rief er weitere Erinnerungen an gemeinsame Nächte am Rande der Straße herbei und fügte den regelmäßigen Rhythmus des Atmens und das kaum hörbare Schnarchen Alecs hinzu. Mit ein bisschen Glück und Taktgefühl auf Seiten der Diener mochte dieser Trick weitere wertvolle Stunden einbringen.
    Schließlich verließ er den Raum, ohne ihn wieder zu verriegeln, und ging hinab in die Empfangshalle, wo Kheeta den Akhendi gerade um Nachsicht bat.
    »Guten Morgen«, sagte Thero und trat näher, um den Gast zu begrüßen. »Was führt Euch zu dieser frühen Stunde zu uns?«
    Der Mann verbeugte sich. »Ich grüße Euch, Thero í Procepios. Amali ä Yassara wünscht, den Akhendi-Talisman zu untersuchen, den Seregil ihr gebracht hat. Sie fühlt sich heute Morgen recht stark.«
    Der Talisman! Thero wollte gerade nach seiner Gürteltasche greifen, als er die Stirn runzelte. Seregil hatte ihn zuletzt gehabt; in all dem Durcheinander, das Magyanas Brief ausgelöst hatte, hatte er vergessen, ihn wieder an sich zu nehmen.
    »Hättet Ihr das doch gleich gesagt«, rief Kheeta, bereits auf halbem Weg zur Treppe. »Ich bin sicher, es macht ihnen nichts aus, deswegen gestört zu werden.«
    »Lasst mich gehen«, sagte Thero rasch. Nun bedauerte er seine eigene List. »Ich schicke ihn zu Euch, sobald er …«, er bedachte Kheeta mit einem ehernen Blick, »… wach ist.«
     
    »Endlich, da ist sie«, rief Seregil erleichtert, als er eine weitere, unauffällige Nebenstraße begutachtete.
    Beka verkniff sich ein Ächzen. Abgesehen von einem Schwarm Kutka, die im hohen Gras nach Nahrung suchten, sah diese Straße genauso aus wie all die anderen, wegen derer sie an diesem Morgen innegehalten hatten.
    »Als du das letzte Mal so sicher warst, hat uns das einen halbstündigen Ritt in die falsche Richtung eingebracht«,

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