Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
nur vage jenseits einer Lücke zwischen den Bäumen erkennbar waren. Sah Seregil, der neben ihm ritt und auf etwas deutete – einen großen Felsbrocken von auffälliger Form, den Rhaish sofort erkannte.
Die Erkenntnis raubte ihm den Atem, und er sank kraftlos zurück. Sie wussten es! Klia musste es wissen, warum sonst sollte sie ausgerechnet diese beiden Männer zur Nordküste entsenden?
Kalte Hände umfassten die seinen, und er blickte hinab auf Amalis tränenüberströmtes Gesicht. »Du musst nach Hause zurückkehren, Talía«, sagte er zu seiner vor ihm knienden Gemahlin. »Sprich mit niemandem über diese Geschichte, und geh nach Hause.«
»Ich wollte doch nur helfen«, flüsterte sie, ergriff das zu Boden gefallene Armband und starrte es ungläubig an. »Was habe ich nur getan, Geliebter?«
»Nichts, das der Lichtträger nicht bestimmt hätte.« Sanft strich Rhaish über ihre Wange, dankbar für die Wärme ihres Körpers an seiner Hüfte. Er fror bis auf die Knochen, obwohl inzwischen die Sonne durch die Wolken gedrungen war. »Geh jetzt und bereite unser Haus für meine Rückkehr vor. Du wirst nicht lange warten müssen.«
Mit zitternden Knien trat er hinaus in den verlassenen Garten, ohne sich um das feuchte Gras zu kümmern, das seine Schuhe und den Saum seiner Robe durchnässte. Er zog sich in Amalis Laube zurück und umfasste das Armband wieder mit beiden Händen. Dann warf er, so lange es seine Kraft erlaubte, wieder und wieder einen Blick auf die beiden Ausreißer, bis er genug gesehen hatte, sich zusammenzureimen, wohin ihr Weg sie führen sollte.
Die Hände gefaltet, ruhte er sich einen Augenblick aus und genoss die behaglichen Energien Sarikalis, die ihn aus der Luft und dem Boden durchdrangen und seine eigene Kraft wieder auffrischten. Er legte Handballen und Fingerspitzen aneinander und stellte sich im Geiste ein fernes Dorf und die Bewohner vor, denen er vertraute, während eine Kugel silbrigen Lichtes sich zwischen seinen Fingern bildete. Als er mittels seiner Gedanken seine Botschaft in ihr verankert hatte, berührte er sie kurz, und sie fegte davon und nahm die Worte mit sich, von denen er hoffte, sie würden von den richtigen Ohren gehört werden.
Hinter den Vorhängen ihres Schlafgemaches beobachtete Amali ihren Gemahl. Dann trocknete sie ihre Tränen und sandte einen ähnlichen Zauber aus. »Möge Aura uns schützen«, murmelte sie, als sie fertig war, und sie betete, dass sie dieses Mal das Richtige getan hatte.
40
Der erste Schritt
Trotz Theros Vorsichtsmaßnahmen brach der Sturm früher los als erwartet. Er war gerade dabei, Mydri mit Klias Verbänden zu helfen, als Unteroffizier Kallas hastig und mit sorgenvoller Miene den Raum betrat.
»Nebenan gibt es Ärger, Mylord. Ich glaube, Ihr solltet lieber mit mir kommen.«
Vor Adzriels Haus hatte sich eine kleine Menge gebildet. Sie selbst stand mit Säaban an der Eingangstür. Vor ihr hatte sich der Khirnari der Haman aufgebaut, begleitet von einer geradezu furchterregenden Lhaär ä Iriel, deren Gesicht unter all den Tätowierungen einer Maske gerechten Zornes glich.
»Er wäre niemals gegangen, ohne vorher mit Euch zu reden!«, beschuldigte sie Nazien í Hari, wobei er anklagend mit dem Finger auf Adzriel deutete.
»Ihr wisst so gut wie ich, dass sein Rang als Verbannter ihn von Clan und Familie isoliert hat«, konterte Adzriel kühl. »Ihr könnt in dieser Sache nicht auf das Atui der Bôkthersa pochen, und selbst wenn diese Möglichkeit bestünde, so gäbe es doch nichts, was ich Euch erzählen könnte, denn ich weiß nicht, wohin oder warum er gegangen ist, das schwöre ich beim Lichte Auras.«
»Da ist der Zauberer!«, schrie einer der Umstehenden, und die wenig freundlich gesonnene Menge fixierte Thero mit einem kollektiven finsteren Blick.
»Wo ist Seregil von Rhíminee?«, verlangte Lhaär nun von ihm zu erfahren, und er konnte eine schwache Aura der Macht um ihre Gestalt ausmachen, ein Umstand, der ihn ziemlich entmutigte. Sie mochte seine Gedanken nicht lesen, doch ihre scharfen Augen würden sich gewiss nicht durch ein Trugbild in die Irre führen lassen.
»Er hat die Stadt verlassen«, entgegnete er knapp. »Ich weiß nicht, wohin er gegangen ist.« In gewisser Weise entsprach dies durchaus der Wahrheit, denn Seregil hatte seine geplante Reiseroute wohlweislich nicht preisgegeben.
»Warum ist er gegangen?«, fragte nun der Khirnari der Akhendi, der gerade erst in Begleitung der Khirnari der Silmai
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