Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
konnten, solange sie hintereinander blieben. Einige Meilen weiter trafen sie auf die Überreste des ersten Dorfes, wo Seregil innehielt und sich rasch umsah.
Einige der Häuser waren niedergebrannt worden; der Rest verfiel langsam. Junge Bäume und Unkraut drangen schnell auf die ausgedehnte Lichtung vor und breiteten sich in den verlassenen Gärten und Straßen aus.
Alec warf einen Blick in eines der Häuser, wo er lediglich ein paar Stücke geborstenen Steinguts vorfand. »Sieht aus, als hätten die Bewohner gepackt und das Dorf verlassen.«
Seregil ritt herbei und reichte ihm einen triefenden Wasserschlauch. »Kein Handel, kein Lebensunterhalt. Wenigstens ist der Brunnen noch sauber.«
Alec trank und wühlte in seinen Packtaschen, auf der Suche nach einem Streifen Dörrfleisch. »Ich frage mich allmählich, ob wir unterwegs irgendwo frische Pferde auftreiben können.«
»Wir werden schon zurechtkommen«, meinte Seregil und betrachtete forschend die Wolken am Himmel. »Wenn wir uns beeilen, können wir das nächste Dorf noch vor Anbruch der Dunkelheit erreichen, und ich persönlich würde es vorziehen, die Nacht unter einem festen Dach zu verbringen. So früh im Jahr kann es hier oben des Nachts immer noch verdammt kalt werden.«
Nicht weit jenseits des Dorfes stießen sie auf eine Geröllhalde, steil und tückisch, voller loser Steine und durchzogen von kleinen Wasserläufen, die einer Quelle oberhalb des Hanges entsprangen. Hier und da wiesen noch immer Begrenzungssteine auf die verschiedenen Wege hin, die von dieser Stelle hätten abzweigen sollen.
Sie ließen ihren Pferden die Zügel, damit sie sich selbst einen sicheren Weg über den gefährlichen Hang suchen konnten. Als Alec sich noch einmal umblickte, stellte er fest, dass die unbeschlagenen Hufe der Tiere unterwegs kaum Abdrücke hinterließen. Zufrieden dachte er, dass ihre Verfolger schon einen wirklich guten Spurensucher benötigen würden, um ihrer Spur zu folgen.
»Ich habe es nicht mehr! Ich habe es vernichtet, verbrannt«, schluchzte Amali, während sie sich wie ein Kind im Bett zusammenkauerte. Zunächst hatte sie trotzig reagiert, doch dann war sie rasch in Tränen ausgebrochen, wodurch sie noch jünger wirkte, als sie war. Rhaish zögerte einen Augenblick, wobei er sich fragte, ob er imstande wäre, ihr etwas anzutun, sollte es so weit kommen.
»Lüg mich nicht an! Ich muss es haben«, befahl er streng, während er sich drohend über sie beugte. »Wenn meine Befürchtungen zutreffen, könntest du bereits aufgeflogen sein. Warum sonst sollte Seregil bis jetzt nicht gekommen sein.«
»Warum willst du mir nicht sagen, worum es geht?«, schluchzte sie. Instinktiv schützte sie ihren Bauch mit den Händen.
Die Geste brach ihm beinahe das Herz, und er ließ sich neben ihr auf das Bett sinken. »Im Namen der Akhendi und um unseres Kindes willen, du musst mir alles geben, was du hast. Ich kenne dich zu gut, meine Liebe. Du würdest nie die Arbeit eines anderen vernichten.« Mühsam unterdrückte er die zunehmende Verzweiflung in seiner Stimme. »Du musst mir vertrauen. Ich werde dich beschützen, so wie ich es immer getan habe.«
Amali schluchzte noch einmal leise, während sie aus dem Bett krabbelte und zu dem Nähkästchen auf ihrer Frisierkommode ging. Sie öffnete es, hob eine Schale mit Materialien zur Fertigung von Talismanen heraus und zog darunter etwas hervor. »Hier. Hoffentlich weißt du es besser zu nutzen als ich.« Sie warf ihm ein gewobenes Armband vor die Füße.
Rhaish bückte sich, um es aufzuheben, wobei er sich eines ähnlichen Augenblicks einige Nächte zuvor erinnerte. Schaudernd vertrieb er den Gedanken, obwohl er wusste, dass es nun keine Hoffnung mehr geben konnte.
Das Flechtwerk war einfach, aber gut gearbeitet; zwar hatte der Talisman seine Wirkung eingebüßt, doch verweilte in ihm noch genug Magie, die Erinnerungen seiner Schöpferin, einer Bäuerin aus einem der Bergdörfer, ebenso zu tragen wie die des jungen Mannes, für den er angefertigt worden war. Alec í Amasas Khi hatte die Fasern ebenso durchdrungen wie sein Schweiß.
Amali weinte immer noch. Rhaish schenkte ihr dieses Mal keine weitere Beachtung, sondern setzte sich neben dem Bett auf einen Stuhl, hielt den Talisman fest zwischen beiden Handflächen und murmelte eine Beschwörung. Das Armband pulsierte unter seiner Haut.
Als er die Augen schloss, erhaschte er einen Blick auf Alec und seine Umgebung, sah regennasse Zweige und ferne Gipfel, die
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