Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
das Recht der Vergeltung zu.«
»Das kommt Euch doch sehr gelegen«, höhnte Iriel ä Kasrai von den Bry’kha. »Womöglich hätte Seregil einen Beweis für die Schuld Eures Neffen entdeckt, wenn er länger geblieben wäre.«
»Ruhe!«, bellte Brythir. »Es ist, wie Nazien í Hari sagt. Nicht einmal der Iia’sidra kann den Haman dieses Recht verwehren. Seregil wusste das, und er hat seine Entscheidung getroffen. Nun muss sein ehemaliger Clan zu seinem Atui stehen.«
»Schuld oder Unschuld von Emiel í Moranthi haben nichts mit dieser Angelegenheit zu tun«, erklärte Nazien. »Als Khirnari der Haman und Enkel des Mannes, den der Verbannte ermordet hat, habe ich keine andere Wahl. Ich verlange, dass die Bôkthersa Recht sprechen im Sinne des Gesetzes.«
Bleich, aber ungebeugt, erhob sich Adzriel. »Euch soll Gerechtigkeit widerfahren, Khirnari.« Mydri und Säaban gaben sich weiter stoisch, doch hinter ihnen schlugen Kheeta und einige andere erschüttert die Hände vor das Gesicht.
Nun wandte sich der Silmai an Thero. »Nun, Thero í Procepios, verlange ich, dass Ihr uns Seregils Verschwinden erklärt. Warum ist er gegangen, und wer hat ihm dabei geholfen?«
»Ich bedauere, doch ich kann Euch nichts sagen«, erklärte Thero erneut und setzte sich, während er auf den zu erwartenden empörten Aufschrei aus den Reihen des Rates wartete.
Plötzlich löste sich eine einsame Gestalt aus den Schatten in der Nähe der Tür und trat in den Kreis. Nun endlich zeigte sich Nyal.
»Ich denke, Ihr werdet schnell herausfinden, dass Alec í Amasa und die skalanische Rittmeisterin ihn begleitet haben«, verkündete er, ohne Thero dabei anzusehen.
Du hinterhältiger Hund, dachte der Zauberer krank vor Zorn. Darum hatten die Haman also so schnell von der Sache erfahren.
Ulan í Sathil erhob sich, und Ruhe kehrte ein. Seine Ehre mochte besudelt worden sein, doch galt ihm noch immer der Respekt des Rates. »Vielleicht lautet die wichtigere Frage: Warum ist er gegangen?«, sagte er. »Diese plötzliche und unerwartete Flucht ergibt keinen Sinn. Wenn ich auch keine großen Sympathien für den Mann hege, muss ich doch zugeben, dass der Verbannte sich seit seiner Ankunft recht gut geschlagen hat. Er hat Respekt errungen, vielleicht sogar die Unterstützung vieler Aurënfaie, und er hat die Nähe seiner früheren Angehörigen genossen. Warum also sollte er, mitten in den Ermittlungen gegen meinen Clan und die Haman, einen derart groben Akt des Treuebruchs begehen?« Er unterbrach sich und fügte dann hinzu: »Warum, es sei denn, er oder die Skalaner haben etwas zu verbergen?«
»Worauf wollt Ihr hinaus?«, fragte Adzriel scharf.
Ulan breitete die Hände aus. »Ich spekuliere lediglich. Vielleicht gibt es etwas, das für Seregil wichtiger ist als das Ergebnis dieser Mission.«
Für einen Moment vergaß Thero zu atmen. Hatten Ulans plenimaranische Spione bereits von der geplanten unglückseligen Mission Korathans erfahren, oder steckte Nyal auch hinter dieser Sache? Er erhob sich und sagte: »Ich kann Euch versichern, Khirnari, dass für Seregil wie für uns alle derzeit nichts wichtiger ist als der Erfolg unserer Arbeit im Kreise des Iia’sidra.« Selbst in seinen eigenen Ohren klang dieser Fetzen Wahrheit nicht halb so überzeugend wie jede Lüge, die er bisher in seinem Leben aufgetischt hatte.
»Ich will keineswegs Thero í Procepios’ Ehre in Frage stellen, dennoch muss ich darauf hinweisen, dass wir nicht mehr als sein Wort haben, auf das wir uns stützen können«, entgegnete Ulan aalglatt. »Auch will ich keine Zweifel an seiner Ehre wecken, wenn ich sage, dass es Seregil selbst war, ein verurteilter Verräter und Mörder, der sich am besten auf jenen Gegenstand verstand, von dem er behauptet, er sei benutzt worden, um Klia zu vergiften. Er war es, der ganz zufällig den Ring in meinem Haus gefunden und so den größten Widersacher der Skalaner im Rat in Misskredit gebracht hat.«
»Wollt Ihr damit sagen, er hätte Klia vergiftet?«, fragte Brythir.
»Ich will gar nichts sagen. Außerdem ist sie schließlich noch am Leben oder etwa nicht? Vielleicht ist ein Mann, der so viel über Gift weiß, auch imstande, es so zu dosieren, dass es nur beinahe tödlich ist, um so einen fehlgeschlagenen Mordversuch vorzutäuschen.«
»Das ist lächerlich!«, konterte Thero, doch sein Protest ging in dem allgemeinen Geschrei unter, das nun erneut von allen Seiten aufbrandete. Überall standen Leute von ihren Sitzen auf, brüllten
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