Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
standen an jeder Tür, andere hielten auf dem Dach Wache. Er hastete hinein und schaffte es gerade noch bis zu einem Stuhl, ehe seine Beine unter ihm nachgaben. Die Feldwebel und eine Handvoll Urgazhi hatten ihn bereits mit einigen Dienern in der Empfangshalle erwartet.
»Warum seid Ihr noch hier?«, fragte er die Bôkthersa.
Kheetas Mutter zuckte die Schultern. »Klia ist immer noch eine Verwandte von Adzriel und überdies ihr Gast. Wir lassen unsere Gäste nicht im Stich.«
Der Zauberer nickte ihr dankbar zu, ehe er rasch von dem Debakel berichtete, dessen Zeuge er soeben geworden war.
»Nyal hat sich gegen uns gestellt?«, fragte Unteroffizier Nikides verblüfft. »Wie kann er der Rittmeisterin so etwas antun? Ich hätte geschworen …«
»Was, dass er sie liebt?« Feldwebel Braknil schnaubte abfällig. »Das ist der älteste Trick der Welt! Und der verfluchte Kerl war auch noch verdammt gut. Er hat sogar mich hinters Licht geführt, und bin schon eine Weile raus aus den Windeln.«
»Er hat uns alle zum Narren gehalten«, gestand Thero traurig. »Ich kann nur hoffen, dass Seregil und die anderen genug Zeit hatten, um ihr Ziel zu erreichen.«
Mit diesen Worten sammelte er all seine verbliebene Kraft und kletterte die Stufen zu Klias Zimmer empor.
41
Offenbarungen im Regen
Den ganzen Tag über wurden Alec und Seregil von einem milden Regen begleitet, der am Nachmittag zunahm und gegen Abend in Schneeregen überging.
»Dieser Regen ist vollkommen nutzlos«, nörgelte Seregil zitternd, als er seinen feuchten Mantel enger um den Leib zog. »Er ist nicht stark genug, unsere Spuren zu verwischen.«
»Sogar in einem Schneesturm kann man sich leichter warmhalten«, stimmte ihm Alec zu, der selbst schrecklich fror. Mantel und Tunika waren über den Schultern und auf der Vorderseite seiner Oberschenkel längst durchnässt, und er fühlte, wie die Feuchtigkeit sich weiter ausbreitete. Der mit Wasser vollgesogene Stoff entzog dem Körper die Wärme; selbst zu dieser vorgerückten Jahreszeit konnte der Frühling noch kalt genug sein, sich eine tödliche Unterkühlung zuzuziehen. Wie um alles noch schlimmer zu machen, führte der Weg, den Seregil gewählt hatte, weit schneller hinauf in die Berge als die Hauptstraße. Auf den fernen Gipfeln zeigten sich weiße Flecken, wo Schneefelder noch immer die Höhenlagen bedeckten. Die matten Umrisse der Sonne, kaum sichtbar im allgegenwärtigen Nebel, bewegten sich unerbittlich auf den westlichen Horizont zu und nahmen die so oder so unzureichende Wärme des Tages mit sich.
»Wir werden bald rasten müssen«, stellte er fest und rieb sich die Arme. »Irgendwo, wo wir ein Feuer machen können.«
»Das können wir jetzt noch nicht riskieren«, widersprach Seregil mit einem forschenden Blick auf die vor ihnen liegende Straße.
»Wenn wir an Unterkühlung sterben, werden wir bestimmt weniger erreichen, denn als Gefangene, sollte man uns schnappen.«
Seregil trieb sein Pferd eine steile Wegstrecke hinauf. Sie waren noch immer von Bäumen umgeben, dennoch nahm der Wind zu und machte ihren Ritt schwieriger. Als der Boden schließlich wieder eben genug war, Seite an Seite zu reiten, wandte er sich zu Alec um, der beim Anblick seiner leicht gerunzelten Stirn sofort wusste, dass sein Freund weder über den Regen noch über einen geschützten Rastplatz nachgedacht hatte.
»Selbst wenn Emiel versucht, Nazien zu verdrängen, würde ein Mordversuch an Klia doch beinahe sicher gegen ihn arbeiten, meinst du nicht? Emiel ist zweifellos ein gewalttätiger Bastard, trotzdem …« Er brach ab und strich mit den Fingern ein wenig wehmütig über die jüngsten Blutergüsse an seinem Kinn. »Es ist nur ein Gefühl, aber nachdem ich in den Baracken mit ihm gesprochen habe, kann ich mir nicht vorstellen, dass er den Verlust seiner Ehre riskieren würde.«
»Nach allem, was er dir angetan hat?«, grollte Alec. »Ich halte ihn nach wie vor für den Hauptverdächtigen. Und was ist mit Ulan í Sathil?«
»Glaubst du wirklich, er würde so stümperhaft vorgehen? Würde ein Mann, der weiß, wie man einen Bürgerkrieg in einem anderen Land auslöst, den Ring, der als Tatwaffe gedient hat, in seinem eigenen Gartenhof verstecken wie ein gewöhnlicher Erpresser, der seine schmutzige kleine Sammlung persönlicher Briefe unter der Matratze aufbewahrt?«
»Nein, dafür ist er zu klug. Wenn er der Täter wäre, hätten wir den Ring nie gefunden. Außerdem, warum sollte er so etwas tun, wenn Lord
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