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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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hier, wenn ich das nicht glauben würde?«
    »Das ist keine Antwort.«
    »Ich werde dafür sorgen müssen, dass er mich anhört.«
    Beide verfielen in Schweigen, und bald verriet Alecs ruhiger Atem Seregil, dass sein Freund eingeschlafen war. Er lehnte den Kopf an Alecs Schulter, während die Gedanken in seinem Kopf weiterrasten.
    Vielleicht hatte er sich aus der machtvollen Aura Sarikalis lösen müssen. Die verwickelten Aussagen der Rhui’auros, seine eigenen seltsamen Träume, sein krampfhaftes Bemühen, sich als würdiger Faie zu erweisen – wohin hatte ihn all das geführt, wenn nicht in ein immer größeres Chaos? Die ganze Geschichte machte ihn krank, und er sehnte sich nach dem gefährlichen, aber unkomplizierten Leben in Skala. Plötzlich erinnerte er sich an etwas, das Adzriel zu ihm gesagt hatte, als sie einander in Rhíminee kurz vor Kriegsausbruch begegnet waren. Wärst du denn wirklich damit glücklich, zu Hause unter einem Limonenbaum zu hocken und den Kindern Geschichten zu erzählen oder mit den Ratsältesten von Bôkthersa zu besprechen, ob der Sturz des Tempels weiß oder silber gestrichen werden soll?
    Sein neues Schwert lag in Reichweite seiner Hand, und er streckte den Arm aus und strich mit den Fingern über das Heft, dachte daran, wie er sich gefühlt hatte, als er es zum ersten Mal in Händen gehalten hatte. Was auch immer die Rhui’auros oder Nysander oder seine Familie oder auch Alec dachten, in einer Sache war er wirklich gut – als Gauner. Höfling, Zauberlehrling, Diplomat, ehrbares Clanmitglied, Sohn – alles vergebene Liebesmüh.
    Nun, da er in der Hütte saß, das Schwert neben sich, Alec hinter sich, eine gefahrvolle Reise vor sich, mit wer weiß wie vielen seiner ehemaligen Landsleute auf den Fersen, die es nach seinem Blut gelüstete, empfand er zum ersten Mal seit Monaten wieder Frieden.
    »Dann soll es so sein«, murmelte er, ehe er schließlich in Schlaf fiel.
     
    Der Traum hatte sich erneut verändert. Er war in seinem alten Zimmer, aber dieses Mal war es kalt und schmutzig, voller Staub. Die Regale waren leer, die Vorhänge zerschlissen, die Tapete schälte sich von den schmutzstarrenden Wänden. Ein paar Spielzeuge und der bunte Wandschirm seiner Mutter lagen zerbrochen am Boden. Ein schlimmer Anblick, dachte er, überwältigt von einem Kummer, der jegliche Furcht in den Schatten stellte. Weinend fiel er neben dem durchgelegenen Bett auf die Knie und wartete auf die Flammen. Statt ihrer umhüllte ihn die Stille und eine Kälte, die mit dem nachlassenden Tageslicht an Intensität gewann. Irgendwie wusste er, dass auch der Rest des Hauses verlassen war, doch er hatte nicht den Mut, nachzusehen. Frierend und zähneklappernd schluchzte er vor sich hin, und als er schließlich erschöpft war, wischte er sich die Nase mit dem Saum der faulenden Steppdecke ab, als er endlich das vertraute Klirren von Glas vernahm.
    Die Glaskugeln, dachte er, und Zorn überwältigte ihn, stark genug, die Trauer zu verdrängen. Er sprang auf und hob den Arm, um sie vom Bett zu fegen, hielt dann aber erstaunt inne, als er sah, dass sie zu einem komplizierten kreisförmigen Muster gleich einer Sonne angeordnet waren. Einige waren schwarz; andere funkelten wie Juwelen. Das ganze Muster maß mehrere Fuß im Durchmesser, und in seiner Mitte stak ein Schwert bis zum Heft in der Matratze. Er zögerte, da er fürchtete, das Muster zu zerstören, doch dann zog er die Klinge aus der Matratze hervor und sah staunend zu, wie sie ihre Gestalt veränderte. Im einen Moment sah er das Schwert, das er an jenem Tag geopfert hatte, an dem er Nysander niedergestreckt hatte, im nächsten hatte es einen Knauf, in der Form eines dunklen Neumonds. Und andere folgten, andere Schwerter und seltsame Stahlröhren mit geschwungenen Heften aus Knochen oder Holz, ein jedes blutverschmiert. Das Blut lief ihm in stetig wachsendem Strom über die Hand, befleckte seine Handlinien und tropfte auf das Bett.
    Als er herabblickte, sah er, dass die Glaskugeln verschwunden waren; an ihrer Stelle lag ein quadratisches schwarzes Banner, das mit dem gleichen komplizierten Muster bestickt war. Die Blutstropfen, die noch immer von seiner Hand troffen, klebten an dem Stoff und verwandelten sich dort in rubinrote Perlen.
    »Es ist noch nicht vollbracht, Sohn des Korit«, flüsterte eine Stimme, und plötzlich fand er sich in einem Strudel sengender Qualen und völliger Finsternis wieder …
     
    Alec erwachte mit einem erstickten Fluch auf

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