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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Alec gewesen war, die Bekanntschaft mit ihm vertiefen zu können, keimte bald der Verdacht in ihm, dass der Zauberer sich weniger verändert hatte, als er zunächst angenommen hatte. Thero war weniger schroff, aber immer noch ziemlich distanziert – kalt wie ein Fisch, wie Seregil sagen würde. Auf so engem Raum zusammengepfercht, lagen er und Seregil einander bald wieder in den Haaren, wenn auch nicht so erbittert wie früher.
    Als Alec eine Bemerkung über diese Sache fallen ließ, zuckte Seregil nur die Achseln. »Was hast du erwartet? Dass er sich auf wundersame Art in Nysander verwandelt? Wir sind, wer wir sind.«
     
    Den ganzen Tag über folgten sie der Küstenlinie, nur wenige Meilen von den unzähligen kleinen Inseln vor der Westküste entfernt.
    Alec stand an der Reling, betrachtete die fernen Klippen und dachte an seine erste Reise an dieser Küste an Bord der Grampus, in deren Verlauf Seregil beinah im Frachtraum gestorben wäre. Die steilen Hänge zwischen den Klippen und dem Gebirge hüllten sich in das erste Grün des Frühlings und sahen aus der Ferne wahrlich friedlich aus – abgesehen von den roten Segeln gleich ihren eigenen, die immer seltener auftauchten, je weiter sie nach Süden segelten.
    Als sie später am Tag die Mündung zum Hafen von Rhíminee passierten, stand Alec wieder an der Reling, und als er voller Wehmut die ferne Stadt betrachtete, konnte er unzählige Schiffe erkennen, die zu beiden Seiten der Mole vor Anker lagen. Hinter ihnen, über den hochaufragenden grauen Klippen, schimmerte die Oberstadt wie Gold im Licht der Nachmittagssonne. Die gläsernen Kuppeln des Orëska-Hauses und seiner vier Türme leuchteten so gleißend hell wie Flammen und hinterließen schwarze Punkte auf seiner Netzhaut, als er den Blick abwandte. Blinzelnd suchte er das Deck nach Seregil ab und entdeckte ihn neben den Aufbauten, wo er mit vor der Brust verschränkten Armen die Stadt betrachtete, die er verlassen hatte. Zögernd tat Alec einen Schritt in seine Richtung, doch Seregil ging davon.
    Als Rhíminee hinter ihnen langsam außer Sicht geriet, pflügten die drei Schiffe in östlicher Richtung unter frischen Winden über das Osiat-Meer. Wachsende Spannung machte sich auf den Decks bemerkbar, als Seeleute wie Matrosen wachsam nach plenimaranischen Segeln Ausschau hielten. Erst als die Dunkelheit hereinbrach, wurden die Gespräche unter dem abnehmenden Mond, dessen Licht sich silbrig auf der Wasseroberfläche spiegelte, wieder gelöster.
    Seregil zog sich gemeinsam mit Klia in den Bug zurück, um die Verhandlungstaktik zu diskutieren. Sich selbst überlassen, spazierten Alec und Thero über die Decks. Zu beiden Seiten der Zyria konnten sie die dunklen Schatten der Begleitschiffe in einigen Hundert Fuß Entfernung ausmachen. Es war eine ruhige Nacht, und die Stimmen wurden weit über das Wasser getragen. An Bord der Wolf schlug, für die beiden Männer unsichtbar, ein Musiker eine Weise auf der Laute an.
    Braknil und seine Reiter hatten sich um die Laterne an der Luke im Vorderdeck versammelt. Als der alte Feldwebel sie erspähte, winkte er ihnen zu, sich zu ihnen zu gesellen.
    »Das muss der junge Urien sein, der da klimpert«, sagte er, während er der fernen Musik lauschte.
    Als die Melodie endete, antwortete jemand an Bord der Wolf mit der ersten Strophe einer allseits beliebten Ballade.
     
    Eine hübsche junge Maid spazierte die Küste hinab,
    ganz allein bis auf den Schatten an ihrer Seite,
    In den Büschen aber verbarg sich ein Bauernbursch’,
    der lustvoll sie beäugte.
     
    Der einäugige Steb zauberte eine Holzflöte herbei, und seine Kameraden grölten die Melodie über die See.
    Stebs Liebhaber, Mim, versetzte Alec einen spielerischen Stoß in die Rippen. »Seid Ihr so gut, heute Abend für uns zu singen? Niemand hier kommt einem Barden so nahe wie Ihr.«
    Alec verbeugte sich übertrieben huldvoll und nahm sich der nächsten Strophe an:
     
    »Ach komm doch mit mir, du süße Maid«,
    so sagte der Bursch zu ihr,
    »Ich nehm dich zur Frau, wenn du nur bei mir liegst,
    und bleib ein Leben lang bei dir.«
     
    Mirn und Minál hoben Alec auf den Lukendeckel und unterstützten ihn aus Leibeskräften beim Vortrag der zunehmend lüsterneren Verse. Thero hatte sich an die Reling zurückgezogen, doch Alec konnte sehen, wie sich die Lippen des Zauberers bewegten. Als das Lied beendet war, klangen von den anderen Schiffen Jubelrufe über das Meer.
    »Na, ist das nicht ein hartes Leben?« Feldwebel

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