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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Menschen getötet, und vermutlich hätte er das auch nie tun müssen, wäre er weiter seiner Wanderschaft und seiner Fallenstellerei überlassen geblieben.
    Das Leben ändert sich, sinnierte er, und das Leben ändert uns.
    Die sanfte Nachmittagsbrise trug sonnenerwärmte Gerüche von den Inseln herbei, die er seit beinahe vierzig Jahren nicht mehr wahrgenommen hatte: wilde Minze und Oregano, Zedern und Zuckerreben. Zum letzten Mal hatte er diese Inseln wenige Monate vor seiner Verbannung besucht. Wenn er nun über die See zu der Großen Schildkröte hinüberblickte, war es beinahe, als könnte er dort sein jüngeres Selbst über die Felsen springen und mit seinen Freunden nackt wie ein Fisch in der Bucht tauchen sehen – ein dummer, ständig mit sich selbst beschäftigter Knabe, der keine Ahnung hatte, welch immense Qual gleich jenseits des Horizonts seines noch so kurzen Lebens lauerte.
    Das Leben verändert jeden von uns.
    Klia, noch immer in ihren verschmutzten grünen Waffenrock gekleidet, kletterte in der Nähe auf einen Lukendeckel. Braknils und Mercalles Reiter versammelten sich vor ihr auf Deck, als sie sich einen Überblick über die Lage zu schaffen suchte.
    »Wie viele habt Ihr noch, Feldwebel Mercalle?«, hörte Seregil sie fragen.
    »Fünf Reiter und einen Unteroffizier, Kommandantin«, erwiderte die Frau, ohne eine Spur von Gefühl zu zeigen. Zir und die anderen standen verdreckt und niedergeschlagen hinter ihr. Die meisten schienen unversehrt, obwohl der Lautespieler, Urien, eine verbundene Hand an seiner Brust barg. »Wir haben die meisten unserer Waffen und unsere Pferde verloren.«
    »Die können ersetzt werden, die Reiter nicht«, entgegnete Klia knapp. »Und Ihr, Braknil?«
    »Keine Toten, Kommandantin, aber Orandin und Adis haben durch die Feuerströme schwere Verbrennungen davongetragen.«
    Klia seufzte. »Wir werden sie in Gedre zurücklassen, wenn der Khirnari einverstanden ist.«
    Als sie Seregil erblickte, winkte sie ihn zu sich. »Was haltet Ihr davon?«
    »Ich denke, sie haben uns erwartet«, erklärte er.
    Klia runzelte die Stirn. »Und ich dachte, wir wären übervorsichtig vorgegangen.«
    Die Information muss nicht notwendigerweise aus Skala gekommen sein, dachte er, doch diese Erkenntnis behielt er vorerst lieber für sich.
    »Können wir es bis Gedre schaffen, ohne vorher Wasser aufzufüllen?«, fragte sie den Kapitän.
    »Ja, Kommandantin. Aber es wird dunkel sein, bis wir neue Segel aufgezogen haben. Bis dahin bleibt genug Zeit, einen Landetrupp auszuschicken, um einige Fässer aufzufüllen.«
    Müde rieb sich Klia den Nacken. »Wenn diese Schiffe im Hinterhalt auf uns gewartet haben, dann wissen sie, warum wir hier sind. Sie könnten an der Quelle einen weiteren Hinterhalt gelegt haben. Für einen Tag reichen mir die Überraschungen. Ich sage, wir segeln direkt nach Gedre.«
     
    In dieser Nacht schlief niemand an Bord, und niemand gab mehr als ein Flüstern von sich, als sie unter dem finsteren Neumond weitersegelten. Keine Laterne brannte, und Thero stand auf dem Achterhaus und hielt gemeinsam mit dem Kapitän und Klia Wache, bereit, jede notwendige Magie zu wirken, um die Schiffe zu tarnen.
    Das Stöhnen der Verwundeten erklang gleich Geisterstimmen aus dem Bauch des Schiffes. Alec und Seregil wechselten sich stündlich damit ab, nach Beka zu sehen, und als sie schließlich erwachte, war sie so krank, dass sie ihnen befahl, zu verschwinden und sie in Frieden zu lassen.
    »Das ist ein gutes Zeichen«, bemerkte Seregil, als sie hinauf zum Vorderdeck gingen. »In einem oder zwei Tagen wird sie wieder auf den Beinen sein.«
    Hinter dem Bugspriet setzten sie sich auf eine große Seilrolle und ließen ihre Blicke auf der steten Suche nach feindlichen Decklaternen oder Segeln über die See schweifen.
    »Sie hat Glück, dass sie sich keine Verbrennungen zugezogen hat«, sagte Alec, als ein weiterer Schmerzensschrei das Rauschen des Meeres übertönte.
    Seregil schwieg, das Gesicht im Schatten verborgen. Endlich deutete er auf die finstere Scheibe des Mondes, die über dem westlichen Horizont vage erkennbar war. »Wenigstens ist der Mond heute Nacht auf unserer Seite. Die meisten Faie nennen den dunklen Mond Ebrahä Rabás, den Verrätermond, aber dort, wo wir hinsegeln, wird er Astha Nöliena genannt.«
    »›Schwarze Glücksperle‹«, übersetzte Alec. »Warum?«
    Seregil drehte sich um und grinste humorlos. »Schmuggel ist dort, wo ich herkomme, ein verbreitetes Nebengewerbe, seit

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