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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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den dunklen Gemäuern.
    »Nun gut«, sagte Klia und warf sich in Position. »Nun liegt es an uns, Einlass zu begehren, meine Freunde. Zeigen wir ihnen das Beste, was die Königin zu bieten hat. Seregil, von nun an seid Ihr mein Führer.«
     
    Es gab keine Stadtmauern, keine Tore, keine Wachen. Stattdessen zogen sich offene Wege, bedeckt mit Soden jungen Grases, durch den Ort, wie Rinnen, die der Regen von Tausenden von Jahren in einen Berg gegraben hatte. Die Straßen waren verlassen, die Bogenfenster der Türme so kahl wie tote Augen.
    »Ich hatte nicht erwartet, dass die Stadt so verlassen ist«, flüsterte Alec, als sie einen breiten, ungleichmäßig geformten Platz überquerten.
    »Wenn sich die Clans zu ihren Feiern versammeln, sieht es hier anders aus«, erzählte Seregil. »Beim strahlenden Licht, ich hatte schon vergessen, wie schön es hier ist.«
    Schön, dachte Alec. Unheimlich passte besser, sogar ein bisschen bedrückend.
    Offensichtlich war er nicht der Einzige, der derartige Gefühle hegte. Hinter ihm hörte er die Urgazhi, die Nyal mit Fragen bestürmten, und das leise Gemurmel seiner Antworten.
    Glatte Wände aus dunkelgrünem Gestein, verziert mit kompliziert aufgebauten Streifen kunstvoller Malereien, zogen sich nach allen Seiten hin. Doch es gab keine Tiere, Götter oder Menschen. Stattdessen schienen die komplexen Muster sich zu einem einzigen, größeren Muster zu vereinen, das die Blicke der Menschen auf einen zentralen Punkt oder über lange Streifen sich regelmäßig wiederholender Umrisse und Symbole lenkte.
    Die Rasensoden gaben unter den Hufen der Pferde nach und dämpften die Geräusche ihrer Schritte. Der Geruch von Kräutern hing in der Luft. Je tiefer sie in die Stadt eindrangen, desto stiller wurde es, was die Fremdartigkeit des Ortes noch mehr hervorhob. Der Wind trug dann und wann das Krächzen eines Hahns oder den Klang von Stimmen herbei, fegte ihn jedoch nicht minder schnell wieder davon.
    Langsam wurde sich Alec eines beunruhigenden Gefühls bewusst, das über seinen Körper schlich, ein seltsames Prickeln auf der Haut und die Andeutung von Kopfschmerzen zwischen seinen Augen.
    »Ich fühle mich so merkwürdig«, sagte Beka, der es ähnlich erging.
    »Das ist Magie«, stellte Thero mit ehrfürchtiger Stimme fest. »Es fühlt sich an, als sickerte sie aus dem Boden hervor.«
    »Keine Sorge, ihr werdet euch schnell daran gewöhnen«, versicherte ihnen Seregil.
    Als sie um eine Gebäudeecke kamen, sah Alec eine einsame Gestalt in einer Robe, die sie mit ernster Miene aus einem der unteren Fenster eines Turmes beobachtete. Unterhalb des rot-schwarzen Sen’gais und den Gesichtstätowierungen, die sie als Khatme kennzeichneten, trug sie eine distanzierte, abweisende Miene zur Schau. Mit Unbehagen erinnerte sich Alec an einen der Lieblingssprüche seines Vaters: Wie du einen Ort betrittst, wirst du ihn auch wieder verlassen.
     
    Seregils ursprüngliche Freude, Sarikali wiederzusehen, vermochte doch seine Wahrnehmung nicht gar zu sehr in Mitleidenschaft zu ziehen. Offensichtlich hatten die Befürworter der Isolation noch immer die Oberhand. Nichtsdestoweniger beschleunigte sich sein Puls, als er das quecksilberne Spiel exotischer Energie auf seiner Haut spürte. Eine Gewohnheit aus Kindertagen veranlasste ihn, aufmerksam die Schatten zu beobachten, stets in der Hoffnung, einen Blick auf einen der legendären Bash’wai erhaschen zu können.
    Sie umrundeten eine ihm vertraute Ecke und kamen erneut auf einen offenen Platz, genau in der Stadtmitte, und Seregil stockte der Atem.
    Hier lag der Vhadäsoori, ein klarer See von mehreren Hundert Metern Durchmesser und so tief, dass das Wasser sogar zur Mittagsstunde vollkommen schwarz erschien. Es hieß, von dieser Stelle würde die Magie ausstrahlen, von dem heiligsten Ort in ganz Aurënen. Hier, im Herzen der Stadt, im Herzen des Landes, wurden Eide geschworen, Allianzen geschmiedet und Zauberkräfte erprobt. Ein Gelöbnis, besiegelt mit einer Tasse des klaren Wassers, war unantastbar.
    Der See wurde von einhunderteinundzwanzig verwitterten Steinstatuen umgeben, die etwa hundert Meter vom Ufer entfernt standen. Dieses rötlich braune Gestein, ebenso wie der Stil der Steinmetzarbeiten, war an keinem anderen Ort in der Stadt oder im Land zu finden. Die zehn Meter hohen, vage menschlich geformten Statuen, so hieß es, waren ein Relikt von Leuten, die sogar noch älter waren als die Bash’wai. Nun blickten sie aus enormer Höhe auf die

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