Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
Aurënfaie herab, die sich am Rande des Platzes versammelt hatten. Erwartungsvolle Gesichter und Sen’gais jeder nur denkbaren Ausführung formten ein buntes Mosaik vor dem stillen Hintergrund dunkler Steinmauern.
»Das ist er«, hörte er jemanden deutlich flüstern, und er vermutete, dass von ihm die Rede war.
Schweigend machte die Menge Platz, als er Klia und Gefolge an den Rand des Steinkreises führte, in dem die elf weiß gekleideten Mitglieder des Iia’sidra sie am Ufer erwarteten, wo sie sich gleich am Rande der Schale Auras auf ihrem niedrigen Steinpodest eingefunden hatten. Die lange, halbmondförmige Schale bestand aus milchig-weißem Alabaster auf einem silbernen Fuß und schimmerte sanft im Sonnenschein des späten Nachmittags.
Plötzlich und schmerzhaft erinnerte er sich; wie sein Vater ihn als kleines Kind hierher gebracht hatte; dies war eine der wenigen schönen Erinnerungen, die ihm als Mann geblieben waren. Korit hatte ihm erzählt, dass sich viele Legenden um den Ursprung der Schale rankten. Manche glaubten, sie sei ein Geschenk von Auras Drachen an die ersten Elf; andere behaupteten, die ersten umherziehenden Faie, die damals die Stadt entdeckt hatten, hätten sie bereits auf diesem Sockel vorgefunden. Wie auch immer die Wahrheit aussehen mochte, die Schale war schon seit Urzeiten hier, unberührt von den Jahrhunderten des Gebrauchs und den steten Witterungseinflüssen war sie das Symbol der Verbindung Auras zu den Faie und ihrer Bindung aneinander.
Eine Bindung, aus der ich herausgerissen worden bin, wie ein kranker Ast von einem Baum, dachte Seregil verbittert, ehe er seinen Blick schließlich auf die Gesichter der Mitglieder des Iia’sidra richtete. Neun dieser Elf hatten sein Leben verschont, aber gleichzeitig die Demütigung und mit ihr sein Schicksal besiegelt.
Damals war sein Vater Khirnari gewesen und durchaus bereit, dem Atui Genüge zu tun, auch wenn das die Hinrichtung seines einzigen Sohnes bedeutet hätte. An seiner Stelle stand nun Adzriel, wie Seregil wohl wusste, auch wenn er nicht imstande war, ihr in die Augen zu sehen. Das andere neue Mitglied der Iia’sidra war der Khirnari der Goliníl, Elos í Orian. Ulan í Sathil stand gleich neben ihm, würdevoll und gesetzt. Sein zerfurchtes, kantiges Gesicht verriet rein gar nichts.
Neben Adzriel stand Rhaish í Arlisandin von den Akhendi. Sein langes Haar war weißer, als Seregil es in Erinnerung hatte, sein Antlitz von tieferen Runzeln durchzogen. Er war ein verlässlicher Verbündeter, wenn auch kein besonders mächtiger.
Mit einiger Mühe zwang sich Seregil, seine Schwester anzusehen, die der Schale am nächsten stand. Sie sah ihn, wandte jedoch rasch den Blick ab … wisse, dass die Umstände mich zur Zurückhaltung zwingen. Während er außerhalb des Kreises wartete, vermochten ihre wohlgemeinten Worte doch nicht die Leere in seinem Herzen zu vertreiben. Und während sich seine Kehle wie zugeschnürt anfühlte, wandte auch er sich hastig ab.
Auf Klias Signal stiegen Seregil und die anderen von ihren Pferden. Klia löste ihren Schwertgurt, übergab ihn Beka und schritt mit dem sicheren Auftreten eines Generals in den Steinkreis hinein. Seregil folgte gemeinsam mit Thero und Torsin einige Schritte hinter ihr.
Hier war die Magie von Sarikali am stärksten zu spüren. Neben sich sah Seregil, wie Theros Augen sich ein wenig weiteten, als fühlbare Wogen von Energie sie umfingen. Auch Klia musste sie spüren, doch sie zögerte nicht einen Augenblick, sondern schritt gleichmäßig voran. Vor dem Iia’sidra blieb sie stehen und breitete die Hände aus, die Handflächen nach oben gewandt, ehe sie in perfektem Aurënfaiisch sagte: »Ich komme zu Euch im Namen Auras, des Lichtträgers, der sich uns als Illior zu erkennen gibt, und im Auftrag meiner Mutter, Idrilain der Zweiten von Skala.«
Der alte Brythir í Nien von den Silmai trat vor, dürr wie ein toter Weidenzweig. Als ältestes Mitglied der Iia’sidra sprach er für alle.
»Seid willkommen, Klia ä Idrilain Elesthera Corruthesthera Rhíminee, Prinzessin von Skala und Nachfahrin von Corruth í Glamien von Bôkthersa«, erwiderte er, wobei er eine schwere Halskette aus Gold und Türkisen von seinem Hals zog und Klia anlegte. »Möge die Weisheit des Lichtträgers uns bei all unseren Bemühungen leiten.«
Klia erwiderte seine Geste, indem sie ihm den Gürtel aus Goldplättchen überreichte, auf denen mit Email der Drache Illios abgebildet war. »Möge das Licht auf uns
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