Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
Pavillon stand, konnte er sich gut vorstellen, wie die ursprünglichen Bewohner des Hauses hier beisammen gesessen und sich der Kühle des Abends erfreut hatten. Für einen Augenblick hatte er das Gefühl, das verlorene Echo von Stimmen und Schritten zu hören, und Weisen einer Musik, gespielt auf unbekannten Instrumenten.
Das Schaben von Leder auf Stein riss ihn aus seinen Gedanken. Er wirbelte um die eigene Achse und sah sich Seregil gegenüber, der ihn von der Tür her angrinste.
»Du träumst mit offenen Augen, was?«, fragte er, als er ans Fenster schritt, und auf Adzriels Haus hinausblickte.
»Sieht so aus. Wie nennt man dieses Ding?«
»Das ist ein Colos.«
»Wirkt irgendwie verwunschen.«
Seregil legte einen Arm um Alecs Schultern. »Und das ist es auch, aber das ist kein Grund zur Sorge. Sarikali ist eine träumende Stadt, und manchmal spricht sie im Schlaf. Wenn du aufmerksam lauschst, kannst du sie manchmal sogar hören.« Er drehte Alec ein wenig und deutete auf einen kleinen Balkon kurz unter dem Dach des Hauses seiner Schwester. »Siehst du das Fenster dort rechts? Das war mein Zimmer. Ich habe oft stundenlang dort gesessen und gelauscht.«
Alec stellte sich den ruhelosen Knaben mit den grauen Augen vor, der Seregil einst gewesen sein musste, wie er das Kinn auf die Hände stützte, als würde er auf eine fremdartige Melodie horchen, die durch die Nachtluft schwebte. »Hast du sie da gehört?«
Seregils Arm spannte sich um seine Schultern. »Ja«, murmelte er, und für einen kurzen Augenblick wirkte er so verloren wie ein verirrtes Kind. Über die bloße Erkenntnis dieser Reaktion hinaus, konnte Alec nichts weiter tun, bevor Seregil wieder in sein altes, stets zu Scherzen aufgelegtes Selbst hinüberwechselte. »Ich bin nur hergekommen, um dir zu sagen, dass das Bad bereit ist. Komm runter, wenn du so weit bist.«
Und damit war er verschwunden.
Alec verweilte noch ein bisschen, doch er hörte nur die vertrauten Geräusche seiner Mitreisenden, die sich in ihrer Unterkunft einrichteten.
Beka lehnte einen Raum im Haupthaus zugunsten eines schmalen Nebengelasses im Mannschaftsquartier ab.
»Seit wir hier angekommen sind, habe ich nicht ein anständiges Militärlager zu Gesicht bekommen«, murrte Mercalle, während sie sich in dem Gebäude umsah.
»Da fragt man sich doch gleich, was wohl aus diesen Bash’wai-Leuten geworden ist«, stellte Braknil fest. »Hier kann einfach jeder eindringen.«
»Mir gefällt das auch nicht, aber wir können es nicht ändern«, stellte Beka fest. »Zündet Wachfeuer an, inspiziert das ganze Gebäude und stellt Wachen an sämtlichen Eingängen auf. Wir werden uns abwechseln: Wachdienst, Eskorte für Klia und dienstfreie Zeit. Das sollte reichen, dass uns die Zeit nicht gar zu lange wird.«
»Ich werde die freie Zeit für Übungen nutzen«, erklärte Mercalle. »Nicht weniger als drei pro Gruppe, die alten Hasen achten auf die Jungen. Außerdem werden wir uns während der ersten Tage in der Nähe unseres Quartiers aufhalten, bis wir wissen, wie herzlich das Willkommen für uns wirklich ist. Angesichts der Aurënfaie, die ich heute zu Gesicht bekommen habe, schätze ich, das wir mit dem einen oder anderen Gerangel rechnen müssen.«
»Gut erkannt, Feldwebel. Sorgt dafür, dass alle Bescheid wissen; sollte es irgendwelche Schwierigkeiten mit den Faie geben, lautet Kommandantin Klias ausdrücklicher Wunsch, Waffen nur unter lebensbedrohlichen Umständen zu ziehen. Ist das klar?«
»Wie Frühlingsregen, Rittmeisterin«, versicherte Leutnant Rhylin. »Einen Schlag einzustecken, statt auszuteilen, ist die bessere Politik.«
Beka seufzte. »Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt. Wir haben jenseits des Meeres schon genug Feinde.«
Sie betraten den großen Schlafsaal der Baracke, wo Nyal gerade damit beschäftigt war, sein bescheidenes Gepäck bei einer der Pritschen zu verstauen.
»Ihr kampiert also bei uns?«, fragte Beka, während sich erneut ein sonderbares Prickeln in ihrer Leibesmitte bemerkbar machte.
»Ist es Euch nicht recht?«, fragte er, und griff verunsichert nach seinem Gepäck.
Beka sah aus den Augenwinkeln, wie Kallas und Steb einander wissend angrinsten. »Wir brauchen Eure Hilfe immer noch«, entgegnete sie knapp. »Ich werde mir überlegen müssen, wie ich Euch einsetze, nun, da wir nicht mehr alle auf einem Haufen hocken. Vielleicht kann Lady Adzriel uns noch einen oder zwei Übersetzer zur Verfügung stellen. Schließlich kann ich nicht von
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