Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
jagte. Die beiden Männer mochten sich vierzig Jahre nicht gesehen haben, dennoch bestand noch immer eine enge Beziehung zwischen ihnen.
»Natürlich«, stimmte Seregil zu, womit die Angelegenheit für ihn erledigt war. »Warten wir hier auf Lord Torsin?«
Und selbstverständlich wechselt er das Thema wie üblich in rasender Geschwindigkeit, dachte Alec.
»Er müsste jeden Augenblick hier sein«, sagte Klia. Gerade in diesem Augenblick erklang aus dem rückwärtigen Gang das Geräusch fröhlicher Rufe.
»Ah ja, und Rittmeisterin Beka auch«, fügte Klia mit einem wohlwollenden Zwinkern hinzu.
Schon im nächsten Augenblick kam Beka in einem braunen Samtgewand herein. Ihr offenes Haar war so lange gebürstet worden, bis es glänzte, und sie trug sogar goldene Ohrringe und eine Halskette. Die Aufmachung stand ihr, doch nach ihrer Miene zu urteilen, war sie vollkommen anderer Meinung. Feldwebel Mercalle ging direkt hinter ihr und grinste zufrieden über das Unbehagen ihrer Rittmeisterin.
»Kein Wunder, dass Eure Reiter jubeln«, rief Kheeta. »Für einen Augenblick hätte ich Euch beinahe nicht erkannt.«
»Adzriel hat durch Boten mitteilen lassen, dass auch ich zu den Gästen dieses Abends zähle«, erklärte Beka errötend und zupfte einen imaginären Fussel von ihrem Kleid. Sie sah gerade rechtzeitig auf, um Alec und Thero zu ertappen, wie sie sie anstarrten. Sofort fuhr sie auf. »Was habt ihr zu glotzen? Ihr habt mich auch schon früher in einem Kleid gesehen.«
Alec und der Zauberer wechselten verlegene Blicke. »Ja, aber das ist lange her.«
»Du siehst wirklich … sehr hübsch aus«, wagte Thero zu sagen und fing sich für seine zaudernden Worte einen bösen Blick ein.
»Das tut Ihr in der Tat«, stimmte Klia kichernd zu. »Ein aufstrebender Offizier muss sich in der Gesellschaft ebenso gut schlagen wie auf dem Feld, richtig, Feldwebel?«
Mercalle nahm Haltung an. »Richtig, Mylady, obwohl dieser Krieg auch den jüngeren Offizieren kaum Gelegenheit zu irgendetwas anderem als dem Kampf gegeben hat.«
Torsin kam die Treppe herab und nickte Beka anerkennend zu. »Ihr macht Eurer Prinzessin und Eurem Land alle Ehre, Rittmeisterin.«
»Danke, Mylord«, entgegnete Beka ein wenig besänftigt.
Adzriel hatte ihre Einladung für Klias gesamtes Gefolge ausgesprochen, und als sie hinübergingen waren alle guter Dinge, sogar Seregil.
»Es ist wirklich an der Zeit, dass ich euch meiner Familie vorstelle«, sagte er mit einem schiefen Grinsen, als er Alec und Beka in die Arme nahm.
Adzriel begrüßte sie in Begleitung ihres Gatten und ihrer Schwester. »Seid uns willkommen, nun, da ihr uns endlich besuchen könnt, und möge Auras Licht über Euch scheinen«, rief sie, und schüttelte jedem Besucher persönlich die Hand. Seregil und Alec erhielten einen herzlichen Kuss auf beide Wangen. Das Wort ›Bruder‹ blieb unausgesprochen, schien jedoch in der Luft zu hängen wie ein Bash’wai-Geist.
»Die Akhendi und die Gedre sind bereits da«, erzählte Mydri, als sie durch verschiedene elegante Räume zu einem großen Innenhof gingen. »Amali ist sehr von Euch angetan, Klia. Sie spricht über nichts anderes, seit sie hier ist.«
Dieses Haus war größer und erschien Alec weit einladender, als hätten die Jahrhunderte, in denen es von der Familie bewohnt worden war, den rauen Stein mit Wärme erfüllt.
Niedrige, zweisitzige Sofas für die hochrangigeren Gäste waren auf einer breiten steinernen Plattform über einem üppig grünen Garten angeordnet worden, sodass die Gäste des Festmahls den Mond über den Türmen Sarikalis würden aufgehen sehen können. Alec zählte dreiundzwanzig Personen in den Farben der Bôkthersa und jeweils halb so viele Akhendi und Gedre. Die Reiter, die Klia über den Pass geleitet hatten, saßen an langen Tischen im Garten, flankiert von duftenden, trichterförmigen Blüten. Fröhlich begrüßten sie die Urgazhi-Turma und rutschten dichter zusammen, um sie in ihrer Mitte aufzunehmen.
Amali streckte sich behaglich neben ihrem Gatten aus. Sie hatte sich während der ganzen langen Reise nicht für Seregil erwärmen können und schien auch jetzt nicht bereit, aufzutauen. Alec war dankbar, einen Platz einige Sofas weit von ihr entfernt in der Nähe von Adzriel und dem Khirnari der Gedre zugewiesen zu bekommen.
Von seinem Platz neben Seregil aus, musterte er den Khirnari der Akhendi mit ausgiebigem Interesse. Rhaish í Arlisandin hatte einen Arm locker um seine Frau geschlungen und war
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