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Schattengott

Schattengott

Titel: Schattengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Paulus
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Facebook-Freunde, insgesamt
siebenundzwanzig. Die bunte Schar an Menschen wirkte nicht wie eine
verschworene Gemeinschaft von Mördern. Heini hatte sie bereits alle überprüfen
lassen. Es hatten sich keine Hinweise auf die Taten ergeben. Zwar hatten einige
bestätigt, dass Schlorf ein komischer Vogel sei. Sie zeichneten aber auch das
Bild eines Mannes, für den es ganz normal sei, sich für ein paar Monate in den
Wald zurückzuziehen.
    Sabina wählte die Nummer von Schlorfs Tante und kündigte für Sonntag
ihren Besuch an. Dann packte sie ihre Sachen und verliess das Polizeikommando.
    «Du gehst schon?», fragte Malfazi, als er sie auf dem Gang traf.
    «Ich bin noch angeschlagen», sagte Sabina.
    Malfazi drückte ausnahmsweise ein Auge zu. «Ab Montag bist du wieder
voll da, okay?»
    «Ja», sagte Sabina. «Ich weiss ja selber nicht, was mit mir los ist.
Ich versuch es jetzt noch mit einer Methode, die bei mir eigentlich immer
funktioniert. Und am Sonntag fahr ich zu Schlorfs Tante. Ich kümmer mich schon,
keine Angst.»
    Die Stufen knarzten. Ihre Abgenutztheit zeugte von unzähligen
Schuhen, die im Lauf der Jahrhunderte über sie gestiegen waren. Die Tür zur
Praxis im ersten Stock war mit einem Schnapper versehen. Sabina drückte sie auf
und stand in einem langen Flur. Sie grüsste die Anwesenden und zog sich in
einem Behandlungszimmer um. Mehrere Heilkundler und Therapeuten teilten sich
die Praxis. Nur am Abend war der grosse Raum frei für die Yogagruppe. Sabina
praktizierte seit vielen Jahren Hatha-Yoga und war in Zürich zweimal in der
Woche in die Yogastunde gegangen. In Chur hatte es eine Weile gedauert, bis sie
eine geeignete Lehrerin gefunden hatte. Die Frau war Mitte vierzig,
Krankengymnastin und eine begeisterte Indienreisende. Sie brachte die ideale
Mischung aus physiologischem Know-how und spiritueller Reife mit. Sabina hatte
die letzten Wochen alle Yogastunden ausfallen lassen. Jetzt spürte sie, dass
sie zur Aufklärung der Verbrechen nur konstruktiv beitragen konnte, wenn sie
ihre innere Balance wiederfand. Sie betrat den Übungsraum und grüsste.
    In der Mitte stand eine weisse Orchidee, drum herum waren violette
Yogamatten ausgelegt. Sabina setzte sich aufrecht auf eine der Matten und
wartete. Nach und nach kamen die restlichen Teilnehmer des Kurses, sieben
Frauen und ein Mann. In einer Begrüssungsrunde stellte sich jeder kurz vor,
dann sangen sie ein Mantra für gute Zusammenarbeit: «Om Saha Navavatu Saha Nau
Bhunaktu.»
    Die Stunde begann in der Rückenlage. Sabina zog die Knie zum Bauch,
umfasste sie kurz und legte die angewinkelten Beine rechts vom Körper auf dem
Boden ab. Die Arme streckte sie weit zur Seite aus, den Kopf legte sie auf die
linke Seite. Durch die Bewegung der Beine nach rechts und die geöffneten Arme
entstand eine grosse Weite in ihrer linken Körperhälfte. Sie spürte, wie ihre
Zellen mit Sauerstoff geflutet wurden, und atmete in alle Regionen vom Bein,
über die Herzgegend und den Rücken bis hinauf in die Arme. Dann zentrierte sie
sich, zog erneut die Knie an und legte die Beine zur linken Seite ab, während
der Kopf nach rechts strebte und die Arme ausgestreckt blieben. Jetzt floss der
Atem durch die rechte Körperseite.
    Sabinas Gedanken waren still und gingen ganz im Atem auf, der ihren
Körper belebte. Die Übung nannte sich Krokodil, danach wies die Lehrerin die
Schulterbrücke an, dann die Kobra. Sabina freute sich, endlich wieder in einer
Gemeinschaft Yoga zu praktizieren. Ihre morgendlichen Übungen hatte sie immer
gemacht. In der Gruppe aber fiel ihr das Eintauchen in den Körper leichter und
ging viel tiefer. In der bauchseitigen Kobrahaltung bemerkte sie den Mann, der
ihr direkt gegenüberlag. Er hatte sich als Daniel vorgestellt, war sportlich
und wirkte angenehm konzentriert. Er gefiel ihr. Und auch er schien sie
entdeckt zu haben. Als die Stunde vorbei war und die Teilnehmer die Matten
aufräumten, kam er zu ihr.
    «Eine Wohltat, oder?»
    «Ja», sagte sie, «endlich eine Gruppe fürs Yoga. Das hat mir
gefehlt.»
    «Ach, du kommst gar nicht von hier?», fragte er.
    «Ich war lange in Zürich, bin erst seit ein paar Monaten wieder
hier, konnte aber in letzter Zeit nicht kommen», sagte sie. Dann brach sie das
Gespräch mehr oder weniger rüde ab. Sie müsse noch etwas Berufliches
durchdenken und den Moment der Klarheit nutzen, den sie durchs Yoga habe. Er
zog seine Schuhe an und ging zur Tür, nicht ohne ihr im Hinausgehen noch einen
unverschämt

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