SchattenGrab
das Kind ihn schon kennt. Sie haben kleine Geheimnisse, die nur sie teilen und so weiter.“
„Widerliche Gedanken“, sagte Moni.
„Wir müssen sie aber denken“, gab Wolf bedauernd zu, „sonst kommen wir nicht weiter.“
„Sag mal, war die Kleine nicht behindert?“, fragte Peter. „Das könnte so eine Vorgehensweise doch erschwert haben.“
„Oder erleichtert“, stöhnte Nadja. „Was hatte sie denn für eine Behinderung?“
„Es nennt sich Katzenschrei-Syndrom. Du kannst damit bestimmt mehr anfangen“, sagte Wolf.
Nadja nickte. „Dann können wir davon ausgehen, dass sie auf jeden Fall geistig nicht auf dem Entwicklungsstand einer Siebenjährigen war.“
„Die armen Eltern“, sagte Moni, „so ein Kind liegt der Familie doch bestimmt ganz besonders am Herzen.“
„Das denke ich“, antwortete Wolf. „Nun aber mal zurück zu unserem Unbekannten. Wir sollten weitere Möglichkeiten ins Auge fassen. Wer könnte dem Mädchen noch eine teure Uhr gekauft haben?“
„Ein Verwandter vielleicht?“, stellte Peter zur Diskussion. „Ich meine, wenn Sophie behindert war, hätte es dem Pädophilen auch gereicht, wenn die Uhr einfach schön bunt oder glitzernd oder so gewesen wäre. Nur, dass ein Mädchen darauf steht. Preis egal. Ein Verwandter hätte aber der Kleinen eventuell etwas Gutes tun wollen. Nur so eine Idee …“
„Aber an den Eltern vorbei? Warum denn?“, grübelte Nadja. „Das macht doch keinen Sinn.“
„Vielleicht befürchtete derjenige, dass sie sie nicht würde tragen dürfen, wenn sie zu kostbar war“, schlug Moni vor, „oder dass es den Eltern unangenehm wäre, wenn sie wüssten, was für ein Betrag aufgewendet worden ist für eine Kinderuhr.“
„Ihr seid echt spitze, ich mache mir eben ein paarNotizen, damit ich Thorsten Büthe unsere Überlegungen mitteilen kann. In seiner Haut möchte ich nichtstecken. Das kleine Mädchen verschwindet spurlos, jetzt ist der Opa tot“, sagte Wolf.
„Ach“, wunderte sich Moni, „euer Toter von heute Nachmittag ist der Großvater der verschwundenen Sophie?“
Wolf nickte.
„Wie passt das denn zusammen?“, wollte Moni wissen. „Ist er nicht oben am Wald oberhalb des Bergbades gefunden worden? Wohnte er denn hier?“
„Nein“, antwortete Peter, „der wohnte in Hannover. Einen Zusammenhang kennen wir bisher nicht. Kann doch auch Zufall sein.“
„An solche Zufälle glaube ich nicht. Ich werde morgen mal mit Thorsten Büthe sprechen, ob es eine Verbindung nach Bückeburg gibt.“
Diese Frage beschäftigte Wolf die ganze Nacht hindurch und noch eine weitere. Er hatte wieder eine dieser merkwürdigen Mails aus dem Nirgendwo auf seinem Rechner. Ein neues Wort war hinzugekommen. So war das auch beim letzten Mal gewesen. Der Satz „Sie lebt noch immer“ konnte jedoch nichts mit Sophie zu tun haben, auch wenn er es gerne geglaubt hätte. Als er diese Botschaften im vergangenen Jahr bekommen hatte, war Sophie noch nicht verschwunden. Aber wer lebte noch immer? Diese Frage konnte er sich einfach nicht beantworten.
Marianne
Schon beim letzten Mal hatte sich Thorsten Büthe gewundert, als er das Haus von Görlitz senior in Augenschein nahm. Schrille Gemälde und Skulpturen hatte er vorgefunden, oft in blau oder grau oder grün. Das war während der Befragungen rund um Sophie gewesen. Marianne hatte die verrücktesten Antworten gegeben und diese augenscheinlich neuerdings auch ausgelebt.
Nachdem er mit Marga und Justus das Jugenstilhaus betreten hatte, schwebten ihm zahlreiche Engel in der Diele entgegen. Der Windzug ließ sie alle in Bewegung geraten. Dadurch sahen sie fast ein wenig lebendig aus. Er hatte den Eindruck, dass sie alle mehr oder weniger so aussahen wie Sophie. Vielleicht war das Mariannes Art, mit dem Verschwinden ihrer Enkelin umzugehen. Trotzdem bohrte die Frage nach dem Warum in ihm.
„Schöne Flügelwesen“, sagte er zu Frau Görlitz.
„Das ist alles mein Engel“, antwortete sie entrückt.
„Sie sehen sich ähnlich“, bohrte er vorsichtig weiter, „und sie sehen ein bisschen wie Sophie aus.“
Marianne Görlitz winkte ab. „Das ist Marie.“
„Wer ist Marie?“, fragte Thorsten.
„Jeder von ihnen ist Marie. Das sehen Sie doch. Mal lachend, mal traurig oder verwundert. Alle ihre Gesichter sind hier. Ich bin nie allein.“
„Sie hat auch zu Sophie immer Marie gesagt“, flüsterte ihm Justus zu und Thorsten nickte, bevor er fortfuhr.
„Frau Görlitz, wir müssen Ihnen eine traurige Mitteilung
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