SchattenGrab
nicht“, bestätigte Thorsten. Er war müde. „Lass uns runtergehen und die beiden informieren. Ich möchte dich bitten, dich mit Frau Görlitz senior zu beschäftigen, denn ich will Justus etwas wegen dieser Namensgeschichte fragen, und du könntest sie schon mal darauf vorbereiten, einige Zeit bei ihrem Sohn zu verbringen.“
„Ja, ist gut, mir wird schon was einfallen.“
Mit dem scheinbaren Interesse an ihren Bildern und Skulpturen lockte Marga Marianne Görlitz in den Wintergarten und Thorsten sagte zu Justus: „Wir würden gerne die Spurensicherung heute Abend schon mit ihrer Arbeit im Haus deiner Eltern beginnen lassen. Bist du einverstanden und kannst du deine Mutter solange bei euch unterbringen?“
Justus blickte erschreckt auf. „Ich dachte, es sei noch nicht raus, ob mein Vater einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist?“
„Stimmt, aber wir wollen keine Zeit verlieren, falls es doch so gewesen ist. Die ersten Stunden sind immer die wichtigsten.“
„Von mir aus“, sagte Justus entmutigt. Er hatte das Gefühl, das Schicksal schien sich gegen ihn zu wenden.
„Wir werden die Schlüssel an uns nehmen. Frau Blume wird gleich ein paar Sachen mit deiner Mutter packen. Wir möchten euch dann bitten, das Haus vorerst nicht mehr zu betreten. Ist das okay für dich?“
„Was soll ich dazu sagen?“, fragte Justus. „Wenn du meinst, dass das sinnvoll ist.“
„Du bist doch wahrscheinlich heute wie jeden Tag in der Klinik gewesen?“, wollte Thorsten beiläufig wissen.
„Jetzt sag nicht, dass du mich verdächtigst, meinen Vater ermordet zu haben!“, entfuhr es Justus. Er schien ehrlich entrüstet.
„Nein, natürlich nicht, aber ich muss das fragen. Es ist ohnehin grenzwertig, dass ich diesen Fall weiter betreue, weil wir befreundet sind.“
„Mensch, Thorsten, du kannst gerne auf der Station rumfragen. Wie viele Zeugen brauchst du? Reichen dir zehn? Vielleicht waren es auch zwölf.“
„Nun sei nicht sauer, Justus, gerade weil wir uns so gut kennen, solltest du Verständnis für meine Situation haben.“
Justus winkte ab.
„Eine Frage noch, bitte! Ich habe mich gewundert, warum deine Mutter immer Marie zu eurer Tochter sagt. Gibt es dafür einen Grund? Heißt jemand in eurer Familie so?“
„Meine Großmutter hieß Marie. Vielleicht mag sie den Namen einfach lieber. Sie standen sich sehr nahe. Du hast ja bemerkt, dass Mutters Aussagen nicht immer ganz der Realität entsprechen.“
„Nun gut, so ist es wohl“, sagte Thorsten, „wann hat das angefangen?“
„So ungefähr zum Zeitpunkt von Sophies Geburt. Vorher war sie vielleicht ein bisschen speziell mit ihrer Kunst und etwas öko, aber nicht so vollkommen durchgeknallt. Ich kann dir auch nicht sagen, ob es plötzlich passiert ist oder ob sie sich langsam veränderte und wir es erst später bemerkten.“
„Dann war der Kontakt nicht sehr intensiv?“
„Etwas anstrengend war sie halt immer, vor allem für Verena, die sie nicht ihr Leben lang kannte. Seitdem ich mir ihr zusammen bin, hatte ich eher wenig Kontakt zu meiner Mutter.“
„Und dein Vater hat nie etwas geäußert?“
„Selten. Er hat sich irgendwie mit ihr arrangiert und dafür gesorgt, dass sie im Alltag zurechtkam.“
„Tja, das könnte jetzt zum Problem werden, vor allem, wenn sie sich nicht mit Verena versteht.“
„Wir werden sehen“, stöhnte Justus leise, „ich will einfach nur, dass dieser Tag endlich vorbeigeht.“
Thorsten konnte ihn gut verstehen. Nach so einer Todesnachricht geriet die Welt erst einmal aus den Fugen. Die Uhren schlugen einen anderen Takt, die Nächte waren zum Wachliegen bestimmt.
Marga, die inzwischen ein paar notwendige Sachen mit Marianne gepackt hatte, kam wieder ins Wohnzimmer.
„Von mir aus können wir!“, schlug sie vor.
„Halt, ich möchte Marie noch mitnehmen“, rief Marianne und lief in Richtung Diele davon.
Welche wohl, dachte Thorsten, aber sie hatte eine genaue Vorstellung davon, welcher Engel es sein sollte. Er hing von ganz oben im Treppenhaus hinab und lächelte einem direkt ins Gesicht, wenn man die Stufen nahm, egal ob in die eine Richtung oder in die andere, denn die Skulptur schwebte genau im Bogen, den man unweigerlich passieren musste.
„Warum genau die?“, wollte Marga wissen.
„Das ist Marie!“, sagte Marianne entrüstet.
„Sie sehen doch alle so ähnlich aus“, hakte die Psychologin nach.
„Ähnlich schon, aber das ist Marie“, beharrte die alte Dame auf ihrer Entscheidung.
„Ist
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