SchattenGrab
schon gut, Mutter“, sagte Justus und holte eine große Schere. Mit ihr durchtrennte er das dünne Seil. Der Engel namens Marie schwebte in Mariannes Arm. Sie musste ihn allerdings am Kopf festhalten, denndarunter kam nur ein Kleid aus dünnem Stoff und Flügel, die aus Gänsedaunen gemacht waren. Liebevoll streichelte sie die Haare, die aus Wolle aufgeklebt waren und drückte den Kopf an sich.
In Thorsten stieg ein komisches Gefühl auf. Er hätte es nicht benennen können, fühlte sich aber außerordentlich unwohl und schob dies auf die Tatsache, dass er müde und ausgelaugt war. Erst als er in der Nacht wach lag, fiel ihm ein, dass es am ehesten einem Gruseln gleichgekommen war.
Verena
Auch Verena lag in dieser Nacht wach und das aus unterschiedlichen Gründen. Sie war sauer, dass Marianne im Haus war. Justus hatte ihr noch spätabends eine SMS geschrieben. In ihren eigenen vier Wänden fühlte sie sich jetzt unwohl, weil der „Fremdkörper“ von Schwiegermutter da war, diese verrückte Alte. Jetzt konnten die beiden sich gegen sie verbrüdern. Die hingen eh aneinander wie Pech und Schwefel. Aber Friedhelm, der einzig Vernünftige aus dieser Sippe, war tot. Sie würde sich etwas einfallen lassen müssen. Es war völlig undenkbar, dass sie mit diesen beiden Personen unter einem Dach wohnte.
Und dann noch diese Uhr. Warum war ihr gesagt worden, sie sei vom Jahrmarkt gewesen? Verena konnte keine schlüssige Erklärung dafür finden, aber auch nicht nachfragen. Es war merkwürdig, dass sie nicht hatte wissen sollen, dass der Schenkende so viel Geld ausgegeben hatte. Sie konnte es sich nur so erklären, dass von demjenigen befürchtet worden wäre, Sophie hätte die Uhr nicht tragen dürfen. Für die Wertschätzung ihres Kindes hätte sie allemal Verständnis gehabt und sich sogar darüber gefreut.
Peter
Sie hatten eine heiße Nacht gehabt, Nadja und er. Genüsslich lehnte sich Peter in seinem Autositz zurück und träumte, während er nach Bückeburg fuhr. Wer hätte denn ahnen können, dass sich unter diesem wirren Wuschelkopf eine so scharfe Frau verbirgt, dachte er bei sich und biss in ein belegtes Brötchen. Es war mit einem der übrig gebliebenen Schnitzel vom Abend zuvor belegt. Peter war zufrieden. Seine Fleischeslust war in jeder Hinsicht gesättigt. So konnte der Tag gut beginnen.
„Moin, Detlef!“, rief er daher fröhlich, als er ins Dienstzimmer kam und klopfte seinem neuen Kollegen auf die Schulter. „Ohne dich wüssten wir immer noch nicht, wer der Tote ist.“
„Schön, schön“, sagte Detlef verwundert und etwas misstrauisch ob des Sinneswandels.
Dann berichtete Peter ihm von den Überlegungen des gestrigen Abends.
„Schon komisch mit dieser Uhr“, sagte Detlef, „eigentlich bin ich überzeugt davon, dass einer von den Eltern wissen müsste, von wem sie ist, wenn sie es nicht selbst waren, die dieses Ding geschenkt haben. Ich grübele auch immer noch über diese Inschrift, von der du erzählt hast. Die kann doch nur von jemandem stammen, der sich der Lütten sehr verbunden fühlte.“
„Verwandter oder Pädophiler“, warf Peter in den Raum.
Detlef rollte die Augen. „Aber sie war doch verborgen angebracht, oder? Die Inschrift meine ich.“
„Ja, hinter dem Uhrdeckel, also rückwärtig und ohne dass man die Uhr mit einem Werkzeug geöffnet hätte, wäre es nie zu sehen gewesen.“
„Da wollte einer auf jeden Fall seine enge Beziehung zu dem Kind verschleiern. Das hätte ein Verwandter doch nicht nötig gehabt“, meinte Detlef. „Oder es war ein geiler Onkel, der scharf auf das Mädchen war und deren Behinderung ausnutzen wollte.“
„Oder Opa“, sponn Peter den Gedankenfaden weiter.
„Mensch, das ist die Lösung“, rief Detlef, „darum hat einer den Alten umgebracht.“
„Warum hat hier wer wen umgebracht?“, fragte Wolf, der gerade den Raum betrat.
„Detlef hatte wieder eine geniale Idee“, lobte Peter, „der Opa des Mädchens wollte was von ihr. Das hat jemand rausgefunden und ihn abgemurkst. So fügt sich alles zusammen.“
„Es gibt Verwandtschaft hier in Bückeburg“, sagte Wolf.
„Ja, das hab ich inzwischen auch recherchiert“, mischte sich Detlef ein, „die Eltern seiner Schwiegertochter und deren Schwester wohnen hier.“
„Nicht schlecht“, sagte Wolf, „diese Möglichkeit sollten wir auf jeden Fall in Betracht ziehen. Ich rufe sofort Thorsten Büthe an.“
Toni
Es gab Dinge, die brauchte sie nicht. Ja, sie liebte ihre Schwester über
Weitere Kostenlose Bücher