SchattenGrab
genommen und gefärbt. Auch die Augen sind selbst gemacht.“
Marga schauderte es ein bisschen, als sie den Kopf mit dem schief geschnittenen Pony zurückgab, an dem ein Fetzen hauchdünner Stoff mit vielen Federn hing. Sie verabschiedete sich und steckte ihr Tonbandgerät ein.
Der Safe, ein Raum im Raum
Mittlerweile hatten die Beamten der Spurensicherung und des Kriminaldauerdienstes einige Dinge aus dem Haus der Görlitzens gesichtet. Auffällig war, dass bei den Tagebüchern eine Reihe von Jahren fehlte. Sie waren bis 1960 vollzählig. Das nächste begann in 1967. Sieben Jahre waren unauffindbar. Es war nicht anzunehmen, dass Dr. Friedhelm Görlitz, der augenscheinlich so akribisch Tagebuch geführt hatte, in den sechziger Jahren plötzlich einfach eine Zeit lang ausgesetzt hatte.
Vielleicht würden sie die fehlenden Bücher noch irgendwo finden. Thorsten Büthe hatte das aktuelle Tagebuch mitgenommen.
Er hoffte, aus den letzten Wochen von Friedhelm Görlitz Näheres über Ereignisse und Empfindungen zur Zeit von Sophies Verschwinden zu erhalten, und auch, was ihn an den Tagen vor seinem Ableben beschäftigt hatte.
Während er die handgeschriebenen Seiten des Arztes las, bekam er einen Anruf der Spurensicherung. Es war sein langjähriger Weggefährte Ingo Freund.
„Hallo Thorsten, wir haben ein Geheimfach im Safe gefunden. Es war voller Fotos von der kleinen Sophie, die ihr vermisst. Er hatte sowohl Portraitaufnahmen, aber auch etliche aus der Ferne aufgenommen. Ich nehme mal an, die Bilder sind aus einem Fenster des Hauses mit einem Teleobjektiv gemacht worden. Sophie auf der Schaukel, beim Bad im Planschbecken, im Sandkasten und so weiter.“
„Interessant“, sagte Thorsten Büthe, „also kann man mit Sicherheit sagen, dass er eine besondere Beziehung zu dem Kind hatte, welcher Art auch immer sie war.“
„Das würde ich auch so sehen. Ein paar selbst gemalte Kinderzeichnungen lagen auch noch im Safe. Ich frage mich, warum er die dort untergebracht hat. Er konnte doch Bilder seiner Enkelin durchaus ganz legal im Zimmer liegen lassen oder an die Wand hängen.“
„Es sei denn“, wandte Thorsten ein, „seine Beziehung zu ihr war von unschicklicher Art. Diese Vermutung stand schon im Raum.“
„Gut, wir machen erst mal weiter. Ich nehme mir jetzt den Keller vor“, sagte Ingo. „Mal sehen, wie weit wir heute kommen.“ Er legte auf.
So viele Kinderbilder von Sophie, dachte Thorsten bei sich. Was für ein übersteigertes Interesse an dem Mädchen. Bei dem Wort Mädchen kamen ihm die Bilder aus dem Dachboden wieder in den Sinn. Das Ehepaar Görlitz hatte zwei Jungen. Dort oben war aber eindeutig Mädchenspielzeug eingelagert gewesen, das nicht so aussah, als habe es Sophie gehört. Das war es, was ihm so merkwürdig vorgekommen war. Er entschloss sich, Justus anzurufen. Vielleicht hatte der eine Erklärung.
„Görlitz!“
„Hallo Justus, ich bin’s, Thorsten. Sag mal, auf eurem Boden steht altes Mädchenspielzeug. Damit werdet ihr euch doch nicht beschäftigt haben, dein Bruder und du, oder? Und Sophie wird es doch auch nicht gehört haben.“
„Stimmt, das ist noch alter Kram von meiner Mutter. Sie hatten es heruntergeholt, damit Sophie etwas zumSpielen hatte, wenn sie drüben bei den Großeltern war. Nach ihrem Verschwinden hat mein Vater es wieder auf den Dachboden gebracht. Er konnte den Anblick einfach nicht ertragen.“
„Vielleicht weil er wusste, dass sie nie mehr wiederkommen würde?“
„Das ist absurd!“, sagte Justus vehement. „Mein Vater liebte Sophie abgöttisch!“
„Möglicherweise zu sehr?“, fragte Thorsten.
„Du bist geschmacklos“, gab Justus zurück.
„Ich muss das fragen. Habt ihr irgendwann eine Veränderung an Sophie bemerkt? Ist sie stiller geworden, in sich gekehrter? Hatte sie Geheimnisse vor euch? Ging sie nicht mehr gerne zu deinen Eltern?“
„Tut mir leid, Thorsten, ich möchte das Gespräch jetzt beenden. Ich hoffe, du verstehst mich. Erst ist mein Kind weg, dann wird mein Vater ermordet und jetzt soll er auch noch seine eigene Enkelin missbraucht haben, oder was willst du mir mit deinen penetranten Fragen sagen?“
„Kein Mensch weiß, ob dein Vater ermordet worden, oder einem Unfall zum Opfer gefallen ist und alles andere sind nur Möglichkeiten, denen wir nachgehen müssen. Ich weiß, dass dich das verletzt. Wäre es dir lieber, mit jemandem darüber zu sprechen, den du nicht kennst?“
„Nein“, sagte Justus resigniert.
„Na
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